IMAGE im Gespräch mit Oberärztin Dr. Thi Anh Phuong Cong vom Ev. Krankenhaus Witten.
Oberärztin Dr. Thi Anh Phuong Cong
Die Pneumologie beschäftigt sich mit Erkrankungen der Lunge. Lungenerkrankungen wie COPD, Lungenentzündung und Lungenkrebs führen nicht selten zum Tod. Aber auch Leiden wie die chronische Bronchitis, Asthma, Staublunge oder andere Formen der chronischen Luftnot verursachen Beschwerden. Außerdem hat die Corona-Pandemie noch einmal ein besonderes Augenmerk auf die Lunge gelegt. Viele Hausärzte oder niedergelassene Lungenfachärzte überweisen Patienten zur weiteren Diagnostik in das Ev. Krankenhaus Witten. Hier kooperiert die Klinik für Innere Medizin seit vielen Jahren mit den Pneumologen des Thoraxzentrums Ruhrgebiet.
IMAGE: Atemnot (Dyspnoe) oder Kurzatmigkeit können für Betroffene sehr beängstigend sein. Welche Ursachen können sie haben?
CONG: Die Atmung versorgt den Körper mit lebensnotwendigem Sauerstoff und sorgt für den Abtransport von Kohlendioxid, dem Abgasprodukt unserer Atmung. In Ruhe atmen gesunde Erwachsene 15- bis 20-mal pro Minute ein und aus (Ruhefrequenz). Steigt der Kohlendioxidgehalt im Blut an oder nimmt der Sauerstoffgehalt im Blut ab, wird die Atmung schneller oder tiefer. So kann die akute Atemnot zunächst in der Regel beendet werden. Sie ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Symptom unterschiedlicher körperlicher und psychischer Zustände. Dazu gehören Schmerzen, Stress, Gefühle wie Angst, Hormone, Stoffwechselprozesse, Außentemperatur und natürlich Krankheiten. In vielen Fällen verursachen Erkrankungen der Atemwege oder Herzkrankheiten die Atemnot oder Kurzatmigkeit. Sie kann akut auftreten oder chronisch über einen längeren Zeitraum verlaufen und unterschiedliche Schweregrade ausbilden.
IMAGE: Wie wird die Diagnose gestellt?
CONG: Neben einer ausführlichen Anamnese, die in einem Gespräch erörtert wird, werden verschiedene Untersuchungen durchgeführt. Dazu gehören die körperliche Untersuchung mit dem Schwerpunkt Herz und Lunge, Laboruntersuchungen, bildgebende Verfahren sowie ein Lungenfunktionstest. Je nach Verdachtsdiagnose können weiterführende Untersuchungen erforderlich sein, die dann in einem interdisziplinären Ansatz im Austausch mit verschiedenen medizinischen Abteilungen behandelt werden. Vorrangig muss die Ursache der Atemnot gefunden und behandelt werden.
Zu den schwerwiegenden Lungenerkrankungen mit Atemnot gehören beispielsweise COPD und das Bronchialkarzinom?
CONG: Unter der COPD (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung) wird eine progrediente Erkrankung verstanden, bei der durch pathologische Entzündungsreaktionen der Lunge auf schädliche Noxen (Tabakrauch, Feinstaub…) und darauffolgende Umbauprozesse eine Verengung der Bronchien entsteht, die eine Atemflussbehinderung zur Folge hat. Schwerwiegend ist auch die Erkrankung an einem Bronchialkarzinom. Darunter versteht man Krebs der Trachea (Luftröhre), der Bronchien (Atemwege) oder der Lungenbläschen (Alveoli). Lungenkrebs ist bei Männer die häufigste und bei Frauen die zweithäufigste Krebstodesursache. Hier ist das Thoraxzentrum Ruhrgebiet intensiv eingebunden. Dabei handelt es sich um eine fachübergreifende Einrichtung für die medizinische Diagnostik und Behandlung von Erkrankungen der Lunge, der Brustwand, des Pleuraraumes sowie des Zwerchfells und des Mittelfellraumes, mit der wir kooperieren.
IMAGE: Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei Atemnot?
CONG: Bei Lungenkrebs sind es im Wesentlichen neben der operativen Methode die Chemo- und die Strahlentherapie, die zum Einsatz kommen. Oft werden die Methoden auch kombiniert – so kann eine Strahlentherapie den Tumor verkleinern, bevor er operativ versorgt wird. Die wichtigste Maßnahme bei COPD ist das Ausschalten von Noxen (Rauchen aufgeben). Es gibt spezielle Trainingsprogramme, die als Lungenrehabilitationsprogramme bezeichnet werden. Diese konzentrieren sich darauf, die Fähigkeit der Patienten zur körperlichen Betätigung zu verbessern und Informationen bereitzustellen, die Patienten helfen, ihre Erkrankung zu meistern. Wichtig ist aber auch die Teilnahme an sportlichen Aktivitäten.
Medikamentös können Substanzen gegeben werden, die zu einer Erweiterung der Bronchien führen (Bronchodilatatoren) sowie Kortikosteroide. Des Weiteren kann eine Langzeitsauerstofftherapie erforderlich sein. Die Erkrankungen verlaufen sehr unterschiedlich, sodass die Behandlungen individuell abgestimmt werden müssen.
Bei einer COVID-19-Pneumonie können auch nach der Infektion im Lungengewebe dauerhafte Schädigungen entstanden sein. In der Folge können sie weitere Beschwerden verursachen. Zu Beginn der Pandemie wurde die Infektion als Lungenkrankheit verstanden. Erst später wurde klar, dass durch die Infektion mit dem Coronavirus SARS-COV-2 auch andere Organe betroffen sein können. Mit Atemtechnik, Ausdauer- und Entspannungstraining, aber auch mit Ergotherapie, Krankengymnastik und Inhalationstechnik können bei Atemnot gute Erfolge erzielt werden.
IMAGE: Kann sich eine geschädigte Lunge regenerieren?
CONG: Auch das ist abhängig von der Erkrankung. Rauchen schädigt die Lungenzellen. Wer aber beispielsweise mit dem Rauchen aufhört, dessen Lunge kann sich durchaus regenerieren. Das dauert allerdings und ist wiederum abhängig vom Alter und der Gesamtverfassung des Betroffenen. Mindestens mehrere Monate Zeit braucht es auf jeden Fall. Hilfreich ist außerdem das Training des Lungenvolumens. Dafür gibt es eine Vielzahl bestimmter Atemübungen. Lungensport hat sich als nichtmedikamentöse Therapiemaßnahme in den Behandlungskonzepten von Atemwegs- und Lungenkrankheiten etabliert. Es gibt bundesweit Gruppenangebote für Betroffene.
IMAGE: Gibt es Ursachen, die das Risiko für eine Lungenerkrankung erhöhen?
CONG: Die Belastung durch Tabakrauch, entweder durch das Rauchen der Mutter in der Schwangerschaft oder nach der Geburt des Kindes, ist ein bekannter Risikofaktor für Asthma und beeinträchtigte Lungenfunktion während der Kindheit. Auch für die Erkrankung COPD und natürlich auch Lungenkrebs ist Tabakrauch ein hohes Risiko. Er ist für mehr als 80 Prozent der Lungenkrebserkrankungen verantwortlich.
Luftverschmutzung und genetische Faktoren sind weitere Risiken, die insbesondere bei COPD greifen. Personen mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), Lungenfibrose, Kopf-, Nacken-, Speiseröhren- oder Brustkrebs sind ebenfalls einem erhöhten Lungenkrebsrisiko ausgesetzt. Frische Luft verschafft Erleichterung und lindert die Kurzatmigkeit. Je kühler die Luft, desto reicher ist sie an Sauerstoff. Die Vermeidung (oder der Schutz) vor dem Kontakt von stark mit Schadstoffen belasteter Luft, eine gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung (an frischer Luft) gehören ebenso zu den empfehlenswerten Verhaltensweisen – das gilt allerdings grundsätzlich für den Erhalt der Gesundheit. anja