Zum 1.1.2026 steht Lulus Coffee Factory nicht mehr unter insolvenzrechtlicher Aufsicht.
Lucas Kemna hat es geschafft: Zum 1. Januar 2026 steht die Lulus Coffee Factory nicht mehr unter insolvenzrechtlicher Aufsicht. Die Firma konnte erfolgreich „repariert“ werden.
In Deutschland wird eine Insolvenz oft als Demütigung empfunden. Der Sprockhöveler Lucas Kemna, seit zehn Jahren mit „Lulus Coffee Factory“ selbstständig, wurde zum November 2024 zahlungsunfähig und meldete Insolvenz an. Heute spricht er offen über die Zeit, die für ihn am 1.1.2026 mit dem Ende der insolvenzrechtlichen Aufsicht endet und sagt: „Die Erfahrungen möchte ich nicht missen.“
Beginnen wir mit dem Grundsätzlichen einer Insolvenz. Unternehmen müssen auf der Grundlage der Insolvenzordnung dann Insolvenz anmelden, wenn einer der drei Gründe zutrifft: die Zahlungsunfähigkeit, die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung. Insolvenzrechtlich ist von Zahlungsunfähigkeit die Rede, wenn ein Unternehmen innerhalb einer Frist von 21 Tagen weniger als 90 Prozent seiner Verbindlichkeiten bedienen kann. Die drohende Zahlungsunfähigkeit besteht, sobald ein Unternehmen aller Voraussicht nach nicht in der Lage ist, offene Zahlungsverpflichtungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu begleichen. Von Überschuldung spricht man, wenn das Unternehmensvermögen nicht mehr zur Deckung bestehender Verbindlichkeiten ausreicht und die Fortführung des Unternehmens infrage steht.
Alles begann mit einem Firmeneinbruch Anfang 2024
Für Lucas Kemna begann alles im Februar 2024. „Die Auftragsbücher für die Reparatur der Kaffeeautomaten und für den Handel mit Kaffee waren voll. Dann wurde in unser Geschäft eingebrochen. Es wurden Kaffeeautomaten im fünfstelligen Bereich gestohlen. Wir waren zwar versichert, aber wir sind für unsere Kunden in finanzielle Vorleistung getreten und haben ihnen die Geräte ersetzt. Es hat lange gedauert, bis die Versicherung gezahlt hat. Von einer mittleren fünfstelligen Summe der Corona-Hilfen kam zeitgleich eine Rückforderung fast der gesamten Summe. Schließlich war unser Unternehmen selbst Gläubiger bei mehreren Kundenaufträgen. Von Mitte 2023 bis Mitte 2024 hatten wir offene Rechnungen in sechsstelliger Höhe. Und schließlich gab es 2024 einen größeren Wechsel im Personalbereich, weil nicht immer die beruflichen Anforderungen erfüllt werden konnten. Das ist ein verhängnisvoller Cocktail für das Überleben einer Firma. Deshalb habe ich Insolvenz anmelden müssen mit dem Ziel, das Unternehmen zu restrukturieren und in die Zukunft zu führen. Zu keinem Zeitpunkt ging es darum, dass ich das Unternehmen auflösen wollte“, so Kemna.
Daher war auch der umgangsprachliche Duktus „Der Kemna ist pleite“ nie zutreffend. „Ich sag mal so: Bilanziell waren wir gut aufgestellt. Natürlich steht man als Inhaber der Firma im Fokus und macht auch Fehler. Aber mit dem Wissen von damals würde ich die gleichen Entscheidungen wieder treffen. Mit dem Wissen von heute natürlich nicht.“
Dass es mit Lucas Kemna ausgerechnet einen Kommunalpolitiker und dann auch noch einen solchen der FDP traf, sorgte im „Dorf“ durchaus für hämische Gesichter und Kommentare. „Vor allem auf den sozialen Medien ging das schon heftig zur Sache“, sagt Kemna, der heute nicht mehr aktiv in der Politik ist und auch der FDP den Rücken gekehrt hat.
Doch Lucas Kemna kämpfte. Nicht nur für seine persönliche Reputation und für seine Familie, sondern auch für sein Unternehmen. „Ich habe sechs Mitarbeiter und meine Arbeit mache ich mit Herzblut. Selbstverständlich wollte ich das immer weiterführen.“
Ab November 2024 saß der Insolvenzverwalter im Boot
Einen Teil der Probleme sieht er bis heute in der Corona-Pandemie begründet. „Wir betreiben einen Handel mit und eine Reparatur von Kaffeevollautomaten sowie Dienstleistungen zum Thema auch außer Haus. Wenn Menschen zunehmend im Homeoffice sitzen, dann hat das schon Auswirkungen auf die Lulus Coffee Factory. Ich bin ja auch nicht einfach zum Amtsgericht gegangen und habe gesagt, ich müsste dann mal Insolvenz anmelden. Ich habe vorher Fachberatungen in Anspruch genommen, wir haben gemeinsam Konzepte entwickelt und auf dieser Basis wurde im November 2024 die Insolvenz angemeldet. Ab dem Zeitpunkt konnte ich eigenständig nichts mehr entscheiden.“
Kemna bekam einen Insolvenzverwalter zur Seite gestellt. Dieser prüfte zunächst einen möglichen Fortbestand des Unternehmens. „Da wird schon genau in die Bücher geschaut, ob das wirklich Sinn macht. Das Insolvenzverfahren ist ja auch für mich nicht kostenlos. Meine Mitarbeiter haben immer ihr Geld bekommen. Für drei Monate nach der Anmeldung der Insolvenz zahlt die Arbeitsagentur im Rahmen der Insolvenz-Entgelt-Vorfinanzierung die Gehälter. Aber das ist kein Geschenk, das Geld holen die sich von mir wieder. Alle Einnahmen aus dem Jahr 2025 landen beim Insolvenzverwalter. Er bezahlt die Gläubiger. Dazu gehören die Landeskasse, das Finanzamt, die Sozialversicherungen und Lieferanten. Wir wiederum sind ebenfalls Gläubiger, sodass der Insolvenzverwalter auch hier sehen muss, dass unsere ausstehenden Gelder bezahlt oder abgeschrieben werden. Abschreibungen treten immer dann auf, wenn das Vermögen eines Unternehmens gemindert wird. Typische Beispiele sind Abnutzungen, die an Einrichtungsgegenständen, Gebäuden oder Werkzeugen auftreten. Aber auch immaterielle Betriebsmittel wie Patente oder Nutzungsrechte können betroffen sein.“
Ab 1. Januar 2026 keine insolvenzrechtliche Aufsicht mehr
Die Dauer einer Insolvenz ergibt sich erst im Laufe des Verfahrens. Für Lulus Coffee Factory bedeutet dies: „Wir haben Ende November 2025 mit der Lulus Coffee Betriebs UG“ eine neue Firma gegründet. Das nennt sich übertragene Sanierung und meint im Insolvenzrecht den Verkauf der Vermögensgegenstände eines insolventen Unternehmens an eine andere juristische oder natürliche Person. Dabei werden die gesunden Teile eines Unternehmens ‚übertragen‘. Der Geschäftsbetrieb wird aufgefangen und gerettet und kann fortbestehen. Das passiert ab 1. Januar 2026 nicht mehr unter insolvenzrechtlicher Aufsicht. Die vorherige GmbH muss aber noch bestehen bleiben, weil wir immer noch offene Forderungen haben und das abgewickelt werden muss.“ Kemna bleibt Geschäftsführer im Unternehmen.
Sein Fazit: „Ich möchte das Wissen aus dieser Zeit nicht missen. Wichtig war mir immer, dass es für meine Mitarbeiter weitergehen konnte und der Betrieb erhalten blieb. Wenn man eine Tasse Kaffee serviert und sie ist kalt, dann kann man sie der Servicekraft zurückgeben und bekommt eine neue. Bei einem Managementfehler ist das nicht so einfach. Aber lernen kann man nur aus Fehlern. Und weil ich meinen ganz persönlichen Mikrokosmos gut aufgestellt habe, sind mir menschliche Enttäuschungen in dieser Zeit zum Glück weitestgehend erspart geblieben.“ Von Dr. Anja Pielorz