Am 7. Juni ist Tag der Organspende. 14.000 Menschen warten bei Eurotransplant auf ein Organ.
Die Wartezeit auf ein lebenswichtiges Spenderorgan beträgt in Deutschland Monate oder Jahre. Für viele Wartende enden die langen Wartezeiten mit dem Tod. Aus ärztlicher Sicht bekräftigte dies der Einzelsachverständige Bernhard Banas, Direktor der Abteilung für Nephrologie am Universitätsklinikum Regensburg im Deutschen Ärzteblatt am 30. Januar 2025. „Für Patienten mit einer terminalen Erkrankung des Herzens, der Lungen und der Leber ist alleinig eine erfolgreiche Organtransplantation die Alternative zum Tod“, betonte er. Nierenkranke hätten zwar als weitere Alternative die Dialysetherapie, die jedoch mit einer erheblichen Einbuße an Lebensqualität und Lebenszeit einhergehe. Neben den 14.000 Patienten aus Deutschland, die auf den Wartelisten zur Organtransplantation bei Eurotransplant stehen, könnten von den knapp 100.000 Dialysepatienten etwa ein Drittel ebenfalls von einer Organtransplantation profitieren. Aber: die Zahl der Organspender geht seit Jahren zurück. Die Anzahl der postmortalen Organspenden (der Hirntod wurde festgestellt, das Herz schlägt noch) hat in Deutschland seit dem Jahr 2010 um mehr als 30 Prozent abgenommen. Im Jahr 2024 wurden 953 Organspenden realisiert und damit in etwa so viel wie im Jahr davor (965). Mit 11,3 Spendern pro eine Million Einwohner liegt Deutschland im internationalen Vergleich damit im unteren Drittel.
Im Januar 2020 beschloss der Bundestag eine Organspende-Reform. Immer noch muss allerdings eine ausdrückliche Zustimmung des Spenders zu Lebzeiten vorliegen, die sogenannte Entscheidungslösung. Die Bürger sollen regelmäßig mit Informationen versorgt werden, um eine Entscheidung zu dem Thema treffen zu können. Liegt keine Entscheidung vor, werden die Angehörigen nach einer Entscheidung gefragt. Auf eine sogenannte Widerspruchsregelung konnte man sich bisher nicht verständigen. Hat die verstorbene Person einer Organspende zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen, zum Beispiel in einem Widerspruchsregister, können in der Regel die Organe zur Transplantation entnommen werden. Viele Länder setzen auf eine Widerspruchslösung: Armenien, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Estland, Finnland, Frankreich, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Russland, San Marino, Serbien, Slowakei, Spanien, Tschechien, Ungarn, Vereinigtes Königreich (England, Schottland, Wales)
Zwar arbeitete die Politik an neuen Gesetzesvorgaben. Diese kamen jedoch aufgrund der vorzeitigen Auflösung der Koalition aus SPD, Grüne und FDP nicht mehr zum Abschluss. Aus Sicht der Bundesärztekammer kann die Einführung einer solchen Widerspruchsregelung zu einem Mentalitätswandel in der Bevölkerung beitragen und die Spenderzahlen erhöhen. Das sei auch deshalb notwendig, weil Deutschland seit Jahren im Eurotransplant-Verbund als Nehmerland fungiere und mehr Organe bekomme, als es abgebe, und von Ländern profitiere, die eine Widerspruchsregelung haben.
Das sehen nicht alle Experten so. Zum einen sind sie skeptisch gegenüber der Widerspruchslösung, weil sie zwingend voraussetzt, dass sich jeder Mensch mit dem Thema beschäftigen müsste. Ein Schweigen dürfe nicht als Zustimmung interpretiert werden. Auch eine Überforderung mancher Menschen müsse in Betracht gezogen werden. Befürworter der Widerspruchslösung sehen hingegen eine Stärkung der Patientenautonomie, sich aktiv mit dem Thema Organspende auseinandersetzen zu müssen. Die Datenlage, ob eine solche Lösung aber tatsächlich zu mehr Spenderorganen führt, ist nicht einheitlich. In manchen Ländern mit Widerspruchslösung ist dies der Fall, in anderen nicht.
Eine weitere ungeklärte Frage ist die der Lebenspenden. Es gibt Experten, beispielsweise die Medizinethikerin Claudia Wiesemann von der Universitätsmedizin Göttingen, die die Sorge äußert, die Zahl der Lebendorganspenden könne dadurch sogar noch weiter zurückgehen. Die Lebendspende ist auf Organe begrenzt, deren Abgabe für den Spender gesundheitlich vertretbar ist. Es ist außerdem gesetzlich vorgeschrieben, dass der Spender im ersten oder zweiten Grad mit dem Empfänger verwandt ist, Ehepartner ist oder aber eine tiefe Bindung zwischen beiden Parteien nachweislich vorhanden ist. Die Spende ist freiwillig. Oft bezieht sie sich auf Niere oder einen Teil der Leber oder auf Knochenmark.
Auch die Kirchen setzen auf andere Methoden, um die Spendenbereitschaft zu steigern. „Die evangelische und die katholische Kirche in Deutschland unterstützten das Ziel des Gesetzentwurfs, die Zahl der Organspenden in Deutschland durch geeignete und zumutbare Maßnahmen zu erhöhen“, betonte Anne Gidion, Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Freiwilligkeit der Spende wird als höchstes Gut angesehen.
Uneinig sind sich Experten auch bei der Frage, ob eine Widerspruchslösung überhaupt verfassungskonform wäre.
Die neue Bundesregierung muss sich mit dem Thema Organspende und Widerspruchslösung jetzt erneut beschäftigen.
Der Gesetzesentwurf muss neu in das parlamentarische Verfahren eingebracht werden.
Wer einen Organspendeausweis möchte, kann sich bei Ärzten und Apotheken danach erkundigen. Es besteht auch die Möglichkeit, über www.organspende-info.de einen Ausweis zu bestellen oder ihn online auszufüllen. Hier kann man sich auch mit Informationsmaterialien versorgen. anja