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Witten

Deutsches Rotes Kreuz Witten: Wo Retter das Retten lernen

Den ersten Toten sieht man in der Leichenhalle, wenn es gut läuft...

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Ausbilungskoordinator und Praxisanleiter Daniel Schröder und Rettungsdienstleiter Carsten Brandt vor der Garage des DRK Witten.

„Man hat heute noch Schwierigkeiten den Menschen klarzumachen: Das sind hoch qualifizierte Personen, die da in den Rettungsfahrzeugen sitzen“, erklärt Carsten Brandt, Rettungsdienstleiter beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) Kreisverband Witten, den IMAGE gemeinsam mit DRK-Praxisanleiter und Ausbildungskoordinator Daniel Schröder trifft. „Der Rettungsdienst hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr gewandelt und ist viel professioneller geworden.“ Laut Sozialgesetzbuch sind Rettungsfahrten aber als Transportleistungen kategorisiert. „Als wären wir ein Taxiunternehmen“, kritisiert Rettungsleiter Brandt. Natürlich macht der DRK auch einfachere Krankentransporte im Krankenwagen, doch einen großen und wichtigen Teil stellen eben die Rettungseinsätze in den größeren und besser ausgestatteten Rettungswagen dar, bei denen der Notfallsanitäter auch „heilkundliche Maßnahmen eigenverantwortlich durchführt“ – also Maßnahmen ergreift, die sonst nur Ärzte ausführen dürfen. Dass die Anerkennung dieser Leistung nicht mal seitens des Gesetzgebers da ist, verwundert angesichts dessen schon. Aber vielleicht ändert sich auch das bald, denn: Die Berufsgruppe der Rettungsfachkräfte befindet sich in einem Wandel. Als Rettungsfachpersonal gelten ab 2026 nur noch Notfallsanitäter und Rettungssanitäter sowie Rettungshelfer. Beide letztgenannten Berufe könne bereits nach mehrmonatigen Lehrgängen ausgeübt werden. Notfallsanitäter wird man erst mit Abschluss einer dreijährigen Ausbildung. Den Rettungsassistent mit seiner zweijährigen Ausbildung gibt es seit 2014 nicht mehr als Lehrberuf.
Und wo lernen die Notfallsanitäter ihr Handwerk? Unter anderem bei Trägern wie dem DRK. Etwa einen Notfallsanitäter pro Jahr bildet beispielsweise Daniel Schröder als Praxisanleiter beim DRK aus. Er hat aktuell einen Auszubildenen im zweiten und einen im dritten Lehrjahr. Von der Struktur her ist die Notfallsanitäter Ausbildung nicht unbedingt anders als andere. „Man hat die eigentliche theoretische Ausbildung in einer anerkannten und zertifizierten Rettungsfachschule und dann hat man praktische Blöcke an einer Rettungswache. Aber auch in den Kliniken. Dort lernt man unter anderem den Umgang mit Menschen“, erzählt der Praxisanleiter. Es ist ein wenig so wie bei der Bäckerlehre, wo die Azubis Theorie und Praxis ihres Handwerks an Fachschulen und in den Bäckereien selbst lernen. Aber Rettungskräfte müssen vieles auf sich nehmen, was beispielsweise einem Bäcker-Azubi erspart bleibt.
„Es ist wirklich ein sensibles Thema“, erzählt der Ausbildungskoordinator, wenn es um die Frage geht, wie man herausfindet, ob sich jemand als Notfallsanitäter eignet oder wie man eine Person auf das, was sie im Rettungsdienst erwarten könnte, vorbereitet: „Für mich bringt das der gesunde Menschenverstand mit sich, dass man weiß, dass man mit heiklen Situationen in Berührung kommt, wenn man sich bei uns bewirbt. Die meisten, die sich bei uns bewerben, haben schon mal in den Katastrophenschutz oder bei der freiwilligen Feuerwehr reingeschaut.“ Wer es nicht erträgt, wird das schnell merken, denn: Den ersten Toten sieht man planmäßig in der Leichenhalle. „Wenn es gut läuft“, werfen Brandt und Schröder ein. „Auf jeden Fall im ersten Jahr“, erklärt Brandt, da zur Ausbildung im ersten Lehrjahr auch ein Besuch in der Pathologie gehört, aber „jede Einsatzsituation ist anders“. Carsten Brandt weiß: „Es gibt verschiedene ‚Eskalationsstufen‘. Erst sind sie mit auf der Rettungswache, dann fahren sie im Krankenwagen mit und dann im Rettungswagen. Wie in der Pflege gibt es Algorithmen in der Rettungsausbildung.“ Aber auch wenn es vorgegebene Lehr- und Prüfungsinhalte für die Notfallsanitäter-Ausbildung gibt, ist auch klar: Es kann anders kommen.
Wenn ein Einsatz belastend ist, dann hilft Reden, weiß der Praxisanleiter: „Es gibt immer Nachbesprechungen mit dem Praxisanleiter und den Kollegen. Und es gibt auch Hilfsangebote, die darüber hinausgehen.“ Niemand wird mit der Verarbeitung der Geschehnisse allein gelassen. „Am besten ist es, die Patienten nicht mit nach Hause zu nehmen“, weiß Rettungsdienstleiter Brandt aus Erfahrung. „Ich kenne den Patienten vorher nicht und lerne ihn während des Einsatzes vielleicht für 20-30 Minuten kennen, aber danach sollte man ihn auch wieder loslassen können.“
Das Retten lernen die Retter also in den Rettungsfachschulen. Und vom ersten Tag an auch im realen Einsatz auf den Rettungswachen und in den Kranken- und Rettungstransporten. „Wir versuchen es möglichst hinzukriegen, dass die Auszubildenen mit ihren Praxisanleitern fahren. Ansonsten mit sehr erfahrenen Kollegen“, so Brandt. Aber auch auf der Wache wird sich um das Know-how gekümmert. In der DRK-Wache an der Annenstraße gibt es unter anderem einen Übungsraum. Brandt: „Das ist Vorschrift: als ausbildende Rettungswache müssen wir das haben.“ In dem steht - oder besser liegt - auch ein sogenanntes Phantom, eine Puppe, an der Rettungsmaßnahmen geübt werden können. Die kommt nicht nur für die Auszubildenden zum Einsatz. Schröder: „Alle eingesetzten Rettungskräfte müssen jährlich eine Fortbildung machen.“ Dabei geht es um das Wiederholen des bereits Bekannten sowie das Erlernen von neuen Techniken und Standards. „Das Reanimationstraining ist zum Beispiel Pflicht.“ Aber auch außerhalb der eigenen Wache wird das Retten geübt. „Insgesamt, auch für die schon ausgebildeten Rettungskräfte ist es wichtig, dass man in Übungen geht, die relativ realitätsnah eine Situation darstellen. Da gibt es dann auch die Leute mit den geschminkten Wunden. Solche Übungen gibt es regelmäßig.“ Aber: „Es gibt auch noch größere Übungen“, merkt Rettungsdienstleiter Brandt noch an. Diese Großübungen bekommen dann auch besonders viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. So wie zuletzt im November die Großübung für die Europameisterschaft 2024, an der über 70 Personen und viele Einsatzwagen auf dem Real-Parkplatz in Witten beteiligt waren. Das Retten will eben nicht nur gelernt sein, sondern auch geübt werden. nxs