IMAGE im Gespräch mit Professor Dr. Andreas Wiedemann vom Ev. Krankenhaus in Witten.
Prof. Dr. Andreas Wiedemann, Chefarzt der Urologie am EvK.
Prof. Dr. med. Andreas Wiedemann ist Chefarzt der Urologie am EvK Witten und Inhaber einer Professur für Urogeriatrie an der Universität Witten/Herdecke. Die Urologie ist die medizinische Lehre von den Harnorganen Niere, Harnleiter, Blase und Harnröhre und der männlichen Geschlechtsorgane einschließlich ihrer Anhangsdrüsen und Fortpflanzungsfunktion. Zum Versorgungsspektrum der Klinik für Urologie am Evangelischen Krankenhaus Witten gehören alle operativen und konservativen Verfahren zur Behandlung von Harnsteinen, Inkontinenz oder Tumorerkrankungen des Harntraktes sowie der männlichen Geschlechtsorgane inklusive der Prostata. Eine enge Zusammenarbeit gibt es mit verschiedenen anderen Stationen.
IMAGE: Welche Patienten kommen zu Ihnen in die Urologie und mit welchen Beschwerden?
WIEDEMANN: Keine Fachrichtung behandelt so viele ältere Patienten - Männer und Frauen - wie die Urologie. Das liegt an den typischen Alterserkrankungen wie der Harninkontinenz oder den „urologischen“ Folgen von häufigen Erkrankungen am Harntrakt im Zusammenhang mit Diabetes, Demenz oder Schlaganfall. Dies bedeutet, dass die Urologie sich nicht nur auf dem eigenen Fachgebiet, sondern auch mit Blutdruckproblemen, Diabetes oder neurologischen Erkrankungen auskennen muss. Deshalb gibt es zahlreiche Überschneidungen zu anderen Fachgebieten, beispielsweise der Chirurgie bei allen operativen Verfahren der Harn- und Fortpflanzungsorgane, der Nephrologie mit Nieren und ihrer Funktion oder der Onkologie bei allen Tumoren der Harnwege und der männlichen Geschlechtsorgane.
Die „geriatrische Urologie“ ist das Arbeitsfeld, in dem die Urologie und die Geriatrie zusammengeführt werden. Dies geschieht bei mir als Arzt am EvK in Witten, aber auch wissenschaftlich als Mitglied des Lehrstuhls für Geriatrie der Universität Witten/Herdecke. Themen wie Medikamentennebenwirkungen am Harntrakt, die Sturzneigung unter urologischen Medikamenten oder die Blutungen unter Blutverdünnern im Harntrakt sind Phänomene, die erforscht werden. Ein weiteres medizinisches Arbeitsgebiet ist die Behandlung von Prostataerkrankungen.
IMAGE: Welche Untersuchungsmethoden kommen in der Urologie zum Einsatz?
WIEDEMANN: Bei Urinuntersuchungen kommen ähnlich wie bei einem Blutbild verschiedene Laborparameter und chemische Befunde zum Einsatz. Oftmals interessieren hier Werte, die nur bei Erkrankungen erhöht sind und bei gesunden Menschen bei Null liegen sollten. Dazu gehören beispielsweise die Leukozyten im Urin als Hinweis auf Entzündungen oder die Erythrozyten im Falle von Blutungen in den Harnwegen oder Glukose und Aceton bei Diabetes oder Eiweiß bei Nierenschäden. Darüber hinaus geben viele weitere Werte Auskunft über mögliche Erkrankungsursachen. Die Sonographie (Ultraschall) ist die häufigste Routineuntersuchung in der Urologie, mit der sich beispielsweise Lageveränderungen der Nieren oder Verengungen der Nierenarterien feststellen lassen. Mit der sogenannten Urodynamik kann sehr genau die Blasenfunktion untersucht werden. Art, Ausmaß und Ursachen von Beschwerden bei Inkontinenz, Blasenentleerungsstörungen oder Reizblase lassen sich so erfassen und quantifizieren. Neben bildgebenden Verfahren gehört die Endoskopie zu den Untersuchungsmethoden, um Erkrankungen der Harnorgane festzustellen. Dadurch lässt sich auch Gewebematerial entnehmen, etwa zur Abklärung bei Blasenkrebs.
IMAGE: Die Prostata macht im Alter vielen Männern Probleme. Die Anzahl ihrer Zellen nimmt im Laufe des Lebens zu und vergrößert das Volumen der Prostata. Welche Probleme werden verursacht und wie kann man sie behandeln?
WIEDEMANN: Es gibt unterschiedliche Beschwerden, beispielsweise Entzündungen oder Vergrößerungen, die gut- oder bösartig sein können. Wenn die Prostata, die direkt unterhalb der Blase liegt, deutlich vergrößert ist, drückt sie auf die Blase und die Harnröhre. Dadurch ist der Harndrang häufiger und stärker als zuvor, besonders in der Nacht. Zur Linderung gibt es Medikamente. Ist die Prostata jedoch deutlich vergrößert, wird in der Regel eine operative Versorgung notwendig. Prostatagewebe wird dabei entfernt oder zerstört. Eine schonende Prostataverkleinerung ist der Lasereingriff, der langfristig die Elektroresektion mit der Elektroschlinge ablösen wird, die dann nur noch wenigen Sonderfällen vorbehalten bleibt. Die Prostata ist ein gut durchblutetes Organ. Bei der Elektroresektion beträgt der mittlere Blutverlust 500 ml – das ist nicht gefährlich, aber eine relevante Menge, die unter Blutverdünnern wie ASS, die z. B. wegen Herzrhythmusstörungen eingenommen werden, aber noch größer und dann gefährlich werden kann. Hier hat die Lasermethode einen Vorteil. Der Laser verdampft das Prostatagewebe von innen. Blutungen werden sofort vom Laserlicht verschweißt, es blutet so gut wie überhaupt nicht. Der Arzt kann entspannt operieren, der Patient ist schneller wieder zuhause. Er muss nur noch für zwei Tage einen dünnen Katheter tragen, der fast gar nicht mehr gespült werden muss, was wiederum das Pflegepersonal entlastet. Besteht jedoch ein Krebsverdacht, muss ich den Eingriff mit der Elektroresektion durchführen. Der Laser verdampft Gewebe, sodass ich es nicht zur feingeweblichen Untersuchung einschicken kann. Beim Einsatz dieser innovativen Technik gehören wir zu den Vorreitern in Deutschland und verfügen über die größte Erfahrung in der gesamten Region.
IMAGE: Ein weiteres wichtiges Thema für Frauen und Männer ist die Inkontinenz. Ihre Abteilung ist auch Kontinenz- und Beckenbodenzentrum – wie helfen Sie den Betroffenen?
WIEDEMANN: Harninkontinenz - bis heute immer noch ein Tabuthema - betrifft rund fünf Millionen Menschen in Deutschland, Männer und Frauen. Besonders Frauen leiden unter unwillkürlichem Harnverlust: Jede dritte über 50 Jahre kennt das Problem. Wir haben mit mehreren Partnern das Kontinenz- und Beckenbodenzentrum Hagen-Witten gegründet. Darüber hinaus sind wir urologischer Partner im Beckenbodenzentrum Ruhrgebiet. Beide Zentren sind von der Deutschen Kontinenzgesellschaft zertifiziert. Das Beckenbodentraining ist eine von verschiedenen Therapien. Eine überaktive Blase, die sich mit starkem Harndrang unfreiwillig entleert, kann beispielsweise mit Medikamenten oder operativ durch die Injektion von Botox in die Blase behandelt werden. Wenn sich eine Blase nicht entleeren will, weil zum Beispiel ein langjähriger Diabetes die Blasennerven geschädigt hat, kann mit Reizstrom und flankierendem Selbstkatheterismus versucht werden, die Blase zu rehabilitieren. Bei den operativen Methoden können wir bei der sogenannten „Belastungsinkontinenz“, dem Urinverlust bei Husten, Lachen, Niesen, ein Kunststoffband implantieren. Die Beschwerden treten oft bei Frauen auf, die Heilungsraten sind sehr gut. Alles dies sind Leistungen, die im Kontinenz- und Beckenbodenzentrum abgebildet werden. Unser Ziel ist es, den Betroffenen möglichst viel Lebensqualität zu ermöglichen. anja