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Gesundheit

Der Darm - wenn der lebenswichtige Schlauch erkrankt

Chronische Darmentzündungen und Darmkrebs.

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Prof. Dr. Andreas Tromm, seit 25 Jahren bei den Augusta Kliniken, seit 22 Jahren Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Ev. Krankenhaus Hattingen. Foto: Augusta Kliniken

Felix Burda verspürte drei Wochen lang unbestimmte Bauchschmerzen und ging zum Arzt. Dann eröffnete ihm der Arzt die furchtbare Nachricht. Die Schmerzen kamen von Metastasen in der Leber. Die bereiteten ihm die Beschwerden. Denn: Der Darmtumor war jahrelang unbemerkt gewachsen. Hätte man ihn frühzeitig entdeckt, so hätte man einen (damals noch gutartigen) Polypen entfernt. Felix Burda starb mit 33 Jahren an Darmkrebs. Zu seinem Gedenken gründeten seine Eltern die Felix Burda Stiftung. Das ist ein besonders tragisches Beispiel für Darmerkrankungen.
IMAGE sprach mit dem Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Ev. Krankenhaus Hattingen Prof. Dr. Andreas Tromm. Sein klinischer Schwerpunkt liegt bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und dem Darmkrebs. Er ist einer der Sprecher der DCCV, Deutsche Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung e.V.

IMAGE: In welchem Alter tritt Darmkrebs auf und wie wird er in der Regel diagnostiziert?
TROMM: Darmkrebs kann in jedem Alter auftreten, allerdings erhöht sich das Risiko mit zunehmendem Alter. Die Erkrankung tritt bei Männern wesentlich häufiger auf als bei Frauen. Weil sie langsam verläuft und in den Anfängen gutartig ist, kann man sie mit der 2002 als Kassenleistung eingeführten Vorsorge für Frauen ab 55 Jahre, Männer ab 50 Jahre, der Darmspiegelung (Koloskopie) gut entdecken und heilen. Allerdings nutzen viele Menschen, vor allem Männer, diese Vorsorgemöglichkeit bis heute nicht. Dabei ist erwiesen, dass trotz der immer älter werdenden Bevölkerung die Vorsorge als Gegensteuerung dafür sorgt, dass die Zahl der Darmkrebspatienten in Deutschland gesenkt wurde. Weitere Möglichkeiten der Vorsorge sind der Test auf verstecktes Blut und der seit dem 1. April 2017 als Kassenarztleistung eingeführte immunologische Stuhltest. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern verfügt Deutschland hier über ein sehr gutes Früherkennungsprogramm. Wer in seiner Familie Darmkrebsvorfälle hat, wer Blut im Stuhl feststellt oder Veränderungen im Stuhlgang entdeckt, sucht zwar in der Regel seinen Arzt auf, hat aber oft zunächst keine Schmerzen. Gerade deshalb ist eine Vorsorge und frühzeitige Diagnostik sehr wichtig.

IMAGE: Welche Risiken führen zu Darmkrebs?
TROMM: Einige Risikofaktoren kann jeder selbst beeinflussen. Rauchen und Alkohol sind zwei von ihnen. Dann Übergewicht und Bewegunsgarmut. Wir wissen auch, dass das Krebsrisiko bei zu hohem Fleischkonsum steigt. Die häufigste Vorläuferstufe von Darmkrebs sind Polypen. Dies sind gutartige Wucherungen der Darmschleimhaut, die ins Darminnere hineinragen. Sie sind gerade bei älteren Menschen häufig: Etwa jeder dritte Erwachsene über 55 Jahre hat zumindest einen Polypen im Darm. Die meisten dieser Polypen sind sogenannte Adenome, die klein und harmlos bleiben. Wenn Polypen jedoch über viele Jahre wachsen, können sich Zellveränderungen (Dysplasien) bilden und so kann schließlich Darmkrebs entstehen. Wichtig ist auch die regelmäßige Überprüfung der Leberwerte im Rahmen der Blutabnahme. Eine frühe Bestimmung der Leberwerte schließt Erkrankungen wie beispielsweise Metastasen durch einen streuenden Tumor aus.

IMAGE: Welche anderen Darmerkrankungen gibt es noch?
TROMM: Die meisten Menschen werden irgendwann in ihrem Leben mit einer Darmerkrankung konfrontiert. Oft ist sie aber nur temporär, das bedeutet, sie verschwindet nach ein bis zwei Wochen und hinterlässt keine Folgeerscheinungen.
Anders sieht das bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen aus. Sie kehren immer wieder und verursachen weitere gesundheitliche Schäden. Die Colitis ulcerosa ist eine solche Darmkrankheit (kurz: CED), die den Dickdarm betrifft. Als Ursache wird ein gestörtes Zusammenspiel des Immunsystems, des Darms und der Darmflora vermutet. Die Darmbarriere wird geschädigt und eine chronische Entzündung ausgelöst. Eine andere chronische Entzündung heißt Morbus Crohn. Sie befällt vor allem den letzten Teil des Dünndarms, aber auch den Dickdarm. In beiden Fällen können auch an Haut oder Gelenken Beschwerden auftreten. Ultraschall, Magen- und Darmspiegelung (Endoskopie) sowie eine genaue Anamnese sind die Diagnosen erster Wahl. Auch die Kernspintomographie wird eingesetzt, um eine Dünndarmbeteiligung bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen nachzuweisen.
Beide Erkrankungen verlaufen in Schüben und verursachen Bauchschmerzen, Durchfall oder permanenten Stuhldrang. Männer und Frauen sind mit gleicher Häufigkeit betroffen. Die Krankheiten können in jungen Jahren auftreten, aber auch erstmalige Beschwerden im Alter sind möglich. Ziel der oft medikamentösen Behandlungsmaßnahmen ist die Linderung von Beschwerden und das Hinauszögern weiterer Schübe. Wenn die medikamentöse Behandlung nicht ausreicht, kann auch eine Operation notwendig sein. Dabei werden beispielsweise verengte Stellen erweitert, Fisteln verschlossen, Abszesse entfernt, Darmverschlüsse behoben oder es werden schwer geschädigte Darmabschnitte entfernt. Eine Heilung ist bisher nicht möglich.

IMAGE: Wie viele Menschen sind in Deutschland von einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung betroffen?
TROMM: Etwa 400.000 Menschen sind in Deutschland betroffen und die Tendenz ist steigend. Die ersten Symptome sind meist wiederkehrende Bauchschmerzen und Durchfälle.

IMAGE: Bisher ist eine Heilung nicht möglich. Aber kann man der Krankheit vorbeugen?
TROMM: Zunächst muss man wissen, wie eine Entzündung entsteht. Der Darm besitzt in unserem Körper eine zentrale Aufgabe, in deren Mittelpunkt die Verdauung der aufgenommenen Nahrung steht. Innen ist er vollständig mit einer Schleimhaut, der sogenannten Mukosa, ausgekleidet, damit keine Krankheitserreger oder andere schädliche Substanzen aus dem Darminneren in tiefer liegende Gewebeschichten oder das Blut gelangen können. Wenn diese Schutzschicht geschwächt wird, können Bakterien eindringen und eine Entzündung auslösen. Sie kann chronisch werden und in der Folge zu starken Schäden an der Darmschleimhaut und den darunterliegenden Schichten der Darmwand führen. Bei den genauen Ursachen vermuten Experten einen Mix aus genetischer Veranlagung, Rauchen, Ernährung, Hygiene und der Zusammensetzung der Darmflora. Daraus ergeben sich, ebenso wie beim Darmkrebs, auch die Risikofaktoren und ihre Vermeidung. Bei der Ernährung sollte man auf frische Produkte, vor allem Obst und Gemüse, zurückgreifen. Der Verzicht auf blähende Speisen ist angeraten, Zurückhaltung sollte auch bei Alkohol, süßen Speisen, rotem Fleisch und Fett geübt werden. Eine spezielle Diät oder Ernährungsform gibt es allerdings nicht.  anja