Logo
Superbanner 749 x 89 Pixel_Platzhalteranzeige.jpg
Gesundheit

Das Prostatazentrum: Ganzheitliche Behandlung im Blick

Bei vielen Männern macht die Prostata im Alter Probleme. Erkrankungen und Therapiemöglichkeiten.

GES-Prof-Wiedemann-2022.jpg

Prof. Dr. Andreas Wiedemann, Chefarzt der Urologie am EvK.

Andreas Wiedemann studierte in Essen Medizin. Nach der Promotion habilitierte er sich 2013 mit dem Thema „Harntraktbeschwerden beim älteren Diabetiker unter besonderer Berücksichtigung seiner Multimorbidität und Multimedikation“ an der Universität Witten/Herdecke am Lehrstuhl für Geriatrie. Für seine Forschungen erhielt er 2008 den Paul-Mellin-Gedächtnispreis der Nordrhein-Westfälischen Gesellschaft für Urologie. Seit über zehn Jahren ist er Chefarzt der Klinik für Urologie am EvK Witten mit Zusatzqualifikationen in Spezieller Urologischer Chirurgie, Andrologie und Medikamentöser Tumortherapie. Von der Universität Witten/Herdecke wurde er 2017 auf die Professur für Urogeriatrie berufen.
IMAGE: Sind Prostatabeschwerden ein Altersproblem?
WIEDEMANN: Keine Fachrichtung behandelt so viele ältere Patienten - Männer und Frauen - wie die Urologie. Das liegt an den typischen Alterserkrankungen wie der Harninkontinenz oder den „urologischen“ Folgen von häufigen Erkrankungen am Harntrakt im Zusammenhang mit Diabetes, Demenz oder Schlaganfall. Auch die Prostataerkrankungen gehören zu den Alterserkrankungen. Bei Männern unter 40 Jahren ist eine gutartige Prostatavergrößerung selten. Im Alter von 50 bis 59 sind etwa 20 bis 45 von 100 Männern betroffen. Im höheren Lebensalter werden die typischen Beschwerden dann immer häufiger: bis zu 70 von 100 Männern über 70 Jahre haben damit zu tun.
Der Zusammenhang zwischen Erkrankung und Alter besteht auch beim Prostatakarzinom. Rund 65.000 Männer erhalten jährlich die Diagnose Prostatakrebs. Die meisten Neuerkrankungen treten bei Männern über 70 Jahre auf. Die hohe Lebenserwartung in Deutschland ist ein Grund dafür, warum Männer immer häufiger an Prostatakrebs erkranken. Ein hohes Lebensalter ist einer der Hauptrisikofaktoren für Prostatakrebs. Bei älteren Patienten haben wir es außerdem häufig mit weiteren Erkrankungen zu tun. Dies bedeutet, dass die Urologie sich nicht nur auf dem eigenen Fachgebiet, sondern auch mit Blutdruckproblemen, Diabetes oder neurologischen Erkrankungen auskennen muss. Deshalb gibt es zahlreiche Überschneidungen zu anderen Fachgebieten, beispielsweise der Chirurgie bei allen operativen Verfahren der Harn- und Fortpflanzungsorgane, der Nephrologie mit Nieren und ihrer Funktion oder der Onkologie bei allen Tumoren der Harnwege und der männlichen Geschlechtsorgane. Die „geriatrische Urologie“ ist das Arbeitsfeld, in dem Urologie und Geriatrie zusammengeführt werden. Dies geschieht bei mir als Arzt am EvK in Witten und wissenschaftlich am Lehrstuhl für Geriatrie, Uni Witten/Herdecke.

IMAGE: Das Prostatazentrum unter Ihrer Leitung gehört zu den zertifizierten Zentren am Evangelischen Krankenhaus?
WIEDEMANN: Genau. Im Prostatazentrum wird der Patient von einem Team aus mehreren unterschiedlichen medizinischen Fach- und Berufsbereichen behandelt, um die Prostataerkrankung ganzheitlich zu behandeln. Die enge Verbindung mit der Klinik für Hämatologie und Onkologie sowie der Strahlentherapie unseres Hauses im nach DIN EN ISO 9001 zertifizierten Prostatazentrum ermöglicht ein umfassendes Behandlungsspektrum bei der Therapie des Prostatakarzinoms. So bieten wir neben der Fusionsbiopsie der Prostata und der Greenlight-Laser-Therapie bei der gutartigen Prostata­vergrößerung auch alle operativen und strahlen­therapeutischen Verfahren beim Prostatakrebs in­klusive der konventionellen Bestrahlung und der sogenannten LDR-Brachytherapie („Spickung“) der Prostata an.
IMAGE: Welche Therapie ist die beste Möglichkeit?
WIEDEMANN: Das kann man so nicht sagen. Es gibt ja unterschiedliche Beschwerden, beispielsweise Entzündungen oder Vergrößerungen, die gut- oder bösartig sein können. Wenn die Prostata, die direkt unterhalb der Blase liegt, deutlich vergrößert ist, drückt sie auf die Blase und die Harnröhre. Dadurch ist der Harndrang häufiger und stärker als zuvor, besonders in der Nacht. Zur Linderung gibt es Medikamente. Ist die Prostata jedoch deutlich vergrößert oder sprechen Beschwerden nicht (mehr) auf Medikamente an, wird in der Regel eine operative Versorgung notwendig. Prostatagewebe wird dabei entfernt oder verdampft. Eine schonende Methode zur Prostataverkleinerung ist der Lasereingriff, der auch langfristig die Elektroresektion mit der Elektroschlinge ablösen wird, die dann nur noch wenigen Sonderfällen vorbehalten bleibt. Die Prostata ist ein gut durchblutetes Organ. Bei der Elektroresektion beträgt der mittlere Blutverlust 500 ml – das ist nicht gefährlich, aber eine relevante Menge, die unter Blutverdünnern wie ASS, die z. B. wegen Herzrhythmusstörungen eingenommen werden, aber noch größer und dann gefährlich werden kann. Hier hat die Lasermethode einen Vorteil. Der Laser verdampft das Prostatagewebe von innen. Blutungen werden sofort vom Laserlicht verschweißt, es blutet so gut wie überhaupt nicht. Der Arzt kann entspannt operieren, der Patient ist schneller wieder zuhause, er muss nur noch für zwei Tage einen dünnen Katheter tragen, der fast gar nicht mehr gespült werden muss, was wiederum das Pflegepersonal entlastet.
Besteht jedoch ein Krebsverdacht, muss eine Biopsie dem Lasereingriff vorgeschaltet werden und gegebenenfalls der Eingriff mit der Elektroresektion durchgeführt werden. Der Laser verdampft Gewebe, sodass ich es nicht zur feingeweblichen Untersuchung einschicken kann. Bestätigt sich der Krebsverdacht, gibt es wiederum verschiedene Möglichkeiten. Strahlentherapie, Hormontherapie, Chemotherapie, Radionuklidtherapie und örtliche (fokale) Therapien sind möglich. Abhängig ist die Wahl der Therapie vom Tumor, aber auch vom Alter und der körperlichen Verfassung des Patienten.

IMAGE: Wie gut sind die Heilungschancen?
WIEDEMANN: Wie schnell ein Tumor in der Prostata wächst und ob er sich auch auf andere Gewebe oder Organe ausbreitet, ist von Patient zu Patient verschieden. Es gibt unterschiedliche Erkrankungsstadien.
In einem frühen Krankheitsstadium ist die Prognose zur Heilung gut. Bei besonders gering aggressiven Tumorformen ist es auch leitliniengerecht erlaubt, den Krebs lediglich zu überwachen und erst bei Verschlimmerung einzuschreiten. Bei einem metastasierenden fortgeschrittenen Prostatakrebs ist eine Heilung nicht mehr möglich. Die Krebszellen haben sich vom Tumor abgelöst und sich in Lymphknoten, den Knochen oder anderen Organen und Geweben angesiedelt. Trotzdem können die betroffenen Patienten medikamentös eingestellt noch viele Jahre mit der Krankheit leben.

IMAGE: Was hilft den betroffenen Patienten im Alltag?
WIEDEMANN: Über Probleme reden. Bei Prostatakrebs gibt es Selbsthilfegruppen und Betroffenen kann es gut tun, sich mit anderen Menschen auszutauschen. Erfahrungen von anderen Prostatakrebspatienten lassen sich aber nur bedingt auf die eigene Situation übertragen, denn nicht jeder Patient hat zum Beispiel dieselben Nebenwirkungen.

IMAGE: Kann man der gutartigen Prostataerkrankung vorbeugen?
WIEDEMANN: Bedingt. Bewegung, Normalgewicht und gesunde Ernährung gehören sicher dazu. Kommt es zu Beschwerden, hilft eine abendliche Reduktion der Trinkmenge, Sport und Gewichtsabnahme. Männer ab 45 Jahren können außerdem einmal jährlich kostenlos die Leistungen des gesetzlichen Früherkennungsprogramms (Tastuntersuchung) in Anspruch nehmen. Und letztendlich gibt es ja noch den Urologen an der Seite des Patienten... anja