Logo
Superbanner 749 x 89 Pixel_Platzhalteranzeige.jpg
Gesundheit

Das Kreuz mit dem Kreuz - wenn der Rücken immer schmerzt

Chronischer und akuter Rückenschmerz - woher sie kommen und was dagegen hilft.

GES-Luka&Paelke-EvK-Witten-Nov2023.jpg

Seit 2011 behandelt das Evangelische Krankenhaus Witten Patienten mit chronischen Rückenschmerzen mit der Multimodalen Schmerztherapie. Dr.med. Michael Luka, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, hat damit gute Erfolge erzielt. Linus Paelke. Leiter Therapeutische Teams, erklärt, warum Bewegung (im Wasser) so wichtig ist.

IMAGE: Wie entstehen Rückenschmerzen?
LUKA: Viele Schmerzen entstehen durch die Überforderung der Muskeln. Unser Rücken ist für Bewegung (z.B. laufen, rennen, klettern) ausgelegt, wir verlangen ihm aber vorwiegend statische Leistungen (z.B. sitzen, stehen, Zwangshaltungen) ab. Neben Bewegungsmangel und altersbedingte Leistungsabhängigkeit kommt hinzu, dass sich Emotionen (Angst, Stimmung, Freude) und Stress am Rücken durch eine erhöhte Muskelspannung widerspiegeln. So sind Rückenschmerzen ein Spiegel unseres alltäglichen Lebens.
Wir unterscheiden dabei zwischen akuten und chronischen Rückenschmerzen, die unterschiedlich therapiert werden müssen. Der akute Schmerz ist ein wichtiges Warnsignal. Er sorgt dafür, dass wir die Hand von einer heißen Herdplatte ziehen oder mit einem verstauchten Knöchel nicht mehr weiterlaufen. Die Therapie zielt darauf ab, die Ursache für den in der Regel zeitlich begrenzten Schmerz zu finden und ihn zu beseitigen. Ein chronischer Schmerz ist dauerhaft oder regelmäßig wiederkehrend. Er hat seinen Charakter als Warnsignal verloren. Chronische Schmerzen können auch als akute Schmerzen beginnen. Manchmal ist eine Verletzung längst geheilt und eine organische Ursache nicht mehr feststellbar - der Schmerz ist trotzdem ein dauerhafter Begleiter geblieben.
Wir kümmern uns im EvK Witten um Patienten mit chronischen Schmerzen, ursächlich oft mit Problemen im Hals-, Brust- und Lendenwirbelbereich verbunden. Die Ursachen können vielfältig sein: Abnutzung, Degeneration oder Verletzungen, Bandscheibenvorfälle und eingeklemmte Nerven. Die Patienten haben in der Regel bereits verschiedene Therapien ausprobiert und können von der Orthopädischen Gemeinschaftspraxis Dres. Nase, Schul, Fennes, PD Wiese, Koch in Witten-Annen zur stationären Aufnahme für eine Multimodale Schmerztherapie überwiesen werden. Diese Praxis ist unser Kooperationspartner und arbeitet mit uns Hand in Hand. Zusammen mit ihnen, einer Psychologin und der Physiotherapie erarbeiten wir ein gemeinsames Konzept für Körper, Geist und Verhalten. Dabei lassen wir uns vor allem von dem Bewegungsaspekt lenken - denn Bewegung ist Leben und Leben ist Bewegung.

IMAGE: Und wie genau funktioniert diese Therapie?
LUKA: In der stationären Phase wird der Patient durch Medikamente schmerzfrei gesetzt. Das ist notwendig, um den Körper zu entspannen und die Motivation des Patienten für Bewegung zu stimulieren. Oft vermeiden Patienten aufgrund des Schmerzes jede mögliche Form der Bewegung, was aber zu weiteren Schmerzen führt. Diesen Kreislauf gilt es zu durchbrechen und das ist durch die Medikamente möglich. In der stationären Phase sind unsere Kooperationspartner permanent eingebunden, auch durch Präsenz im Krankenhaus und durch eine gemeinsame Teambesprechung aller Beteiligten. Der Patient bekommt ein Konzept an die Hand, mit dem er nach dem stationären Aufenthalt in Bewegung bleiben kann. Die stationäre Behandlung dauert acht Tage und umfasst neben der orthopädischen und medikamentösen Therapie eine psychologische Betreuung sowie Krankengymnastik. Ziel ist es, die Operation zu vermeiden. Wenn der Patient entlassen wird, führe ich immer ein Gespräch mit ihm und das ist meine Abschlussbitte an jeden Patienten: Bleiben Sie in Bewegung!

IMAGE: Die Patienten sollen also in Bewegung bleiben. Wie wichtig ist dabei das Element Wasser?
PAELKE: Wasser ist das ideale Element für Bewegung und Entspannung. Für das Herz-Kreislauf-System, die Muskeln, Stoffwechsel und Atmung ist der Aufenthalt im Wasser sehr gut. Als Faustformel bei chronischen Schmerzen empfehlen sich warme Packungen oder Bäder. Wärme fördert die Durchblutung und damit den Stoffwechsel. So ergeben sich durch den Auftrieb des Wassers dreidimensionale Bewegungsrichtungen, ähnlich den Bedingungen in der Schwerelosigkeit. Übungen im schultertiefen Wasser können mittels des Auftriebs und des Wasserwiderstands Patienten mit Beweglichkeitsdefiziten im Schulterbereich zu erfolgreichen vor der Therapie nicht möglichen Bewegungen und Haltungen des Arms führen. Chronische Schmerzen sind komplex und immer multifaktoriell. Erst müssen Treiber für den Schmerz individuell am Patienten identifiziert und untersucht werden. Danach muss auf Augenhöhe mit dem Patienten zusammen ein therapeutisches Programm aufgestellt werden. Dazu kann dann auch das Bewegungsbad gehören. Wichtig dabei ist, dass der Patient alles versteht und das Gefühl hat, alles Besprochene auch umsetzen zu können. Der erzielte Erfolg bleibt nur dann bestehen, wenn der Patient mit ins Boot geholt wird und aktiv mitmacht.

IMAGE: Welche Tipps geben Sie bei Rückenschmerzen?
LUKA: Man kann seinen eigenen Alltag hinterfragen. Wie rückenfreundlich ist der Arbeitsplatz? Hebe, trage und bücke ich mich richtig? Bewege ich mich genug? Es gibt auch rückenfreundlichen Sport.
Wie schaut meine Ernährung aus? Knochen, Gelenke, Muskeln und Bandscheiben brauchen viele Nährstoffe, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Die Nährstoffversorgung der Bandscheiben klappt nur mit viel Flüssigkeit. Nur so bleiben die kleinen Stoßdämpfer zwischen den Wirbelkörpern gesund und elastisch. Flüssigkeitszufuhr ist also auch sehr wichtig. Entspannungsphasen und eine positive mentale Einstellung gehören ebenfalls dazu und können Linderung verschaffen. Es ist wichtig, dass der Betroffene erkennt, dass er seinen Lebensalltag verändern muss und diese Veränderung ihm hilft, den Schmerz in den Griff zu bekommen.
PAELKE: Wenn man herausgefunden hat, was den Schmerz verursacht, muss man lernen, welchen Einfluss die Eckpfeiler Schlafhygiene, Stress-Management, Ernährung und Bewegung auf den Schmerz haben. Bei vielen Therapieansätzen ist der Patient in einer eher passiven Rolle. Durch Studien und Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre konnte man sehen, dass das nicht der vielversprechendste Ansatz ist, um die Schmerzen in den Griff zu bekommen.
Das spiegelt sich auch in dem Feedback wieder, was ich von Patienten in der Therapie bekomme. In einem modernen Verständnis der Schmerztherapie ist es genau umgekehrt. Der Therapieerfolg wird vom Therapeuten und dem Patienten hälftig geteilt. Patienten, die gut begleitet werden, konnten ihre Schmerzen soweit in den Griff bekommen, dass sie nicht mehr durchgehend therapiert werden müssen. Das bedeutet mehr Lebensqualität für den Patienten und eine bessere Chance, sein Leben zu gestalten.  anja