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Gesundheit

Das Herz: Wenn der „Motor des Lebens“ schwächelt

IMAGE im Gespräch mit Oberärztin Dr. Thi Anh Phuong Cong, EvK Witten.

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Oberärztin Dr. Thi Anh Phuong Cong

Rund vier Millionen Menschen leiden in Deutschland unter einer Herzinsuffizienz (Herzschwäche). Koronare Herzkrankheit und Bluthochdruck gehören zu den häufigsten Ursachen einer Herzschwäche. Zu den Auslösern gehört auch der Herzinfarkt. Über 300.000 Menschen erleiden in Deutschland jährlich einen Infarkt. IMAGE hat mit der Oberärztin Dr. Thi Anh Phuong Cong, Klinik für Innere am EvK Witten, über Diagnose und Therapie gesprochen. Das EvK Witten gehört zum Ev. Verbund Augusta Ruhr (EVA) und versorgt in der Kardiologie Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen und Herzklappenfehlern.

IMAGE: Welche Ursachen hat eine Herzschwäche? 
CONG: Es gibt verschiedene Ursachen. In rund zwei Dritteln der Fälle ist die koronare Herzerkrankung die Ursache. Dabei verengen sich die Herzkranzgefäße durch Ablagerungen (Plaque) so stark, dass sie nicht mehr genügend sauerstoffreiches Blut zum Herzmuskel transportieren können. Das beeinträchtigt die Pumpleistung des Herzens. Sie wird schwächer und als Folge davon kommt es zu einer chronischen Schwäche des Herzens. Der Herzinfarkt ist eine weitere Ursache. Hier verschließt sich ein Herzkranzgefäß durch ein Blutgerinnsel. Der Herzmuskel wird nicht mehr mit Sauerstoff versorgt. Stirbt er ab, wird er durch Narbengewebe ersetzt. Das jedoch kann sich nicht zusammenziehen und deshalb bleibt eine Herzschwäche zurück. Nicht oder nicht gut behandelter Bluthochdruck ist eine dritte Ursachenmöglichkeit. Hierbei verdickt sich der Herzmuskel, wird unelastisch und das Herz verliert an Pumpleistung. Die Herzschwäche kann aber auch durch eine Herzklappenerkrankung oder eine Herzmuskelentzündung ausgelöst werden. Angeborene Herzfehler, Herzrhythmusstörungen, Vorhofflimmern, Diabetes mellitus sowie langjähriger Drogenkonsum inklusive Alkohol können ebenfalls zu einer Herzschwäche führen.

IMAGE: Wie bemerkt man eine mögliche Herzschwäche?
CONG: Bei einer chronischen Herzschwäche lässt die Pumpkraft des Herzens im Laufe der Zeit nach. Erste Symptome sind eine nachlassende Leistungsfähigkeit sowie Atemnot und Gewichtszunahme. Wenn Organe wie das Gehirn, Muskeln oder die Nieren nicht mehr ausreichend mit Blut und Nährstoffen versorgt werden, dann können sie nicht mehr optimal arbeiten. Bleibt die Versorgung dauerhaft unzureichend, können lebensbedrohliche Situationen eintreten. Atemnot im Alltag beim Spazierengehen, Treppensteigen oder der Hausarbeit können ein erster Hinweis auf eine beginnende Herzschwäche sein. Weil der Herzmuskel es nicht mehr schafft, genügend Blut in den Kreislauf zu pumpen, kommt es zu einem Rückstau in den Venen. In der Folge sammelt sich Wasser im Gewebe, es bilden sich Ödeme. Diese zeigen sich als Schwellungen, vor allem in den Füßen und Knöcheln. Durch die Wassereinlagerungen kommt es zu einer Gewichtszunahme, oft auch innerhalb kurzer Zeit. Ödeme sind ein typisches Symptom bei fortschreitender Herzinsuffizienz. Zusätzliche Beschwerden können ein beschleunigter Puls sein, ebenso Husten, kalte Finger, Füße und Beine, nächtlicher Harndrang und Schwindel. Vor allem ältere Menschen nehmen die ersten Symptome einer Herzschwäche häufig nicht ernst. Anzeichen wie nachlassende Leistungsfähigkeit, Müdigkeit oder Ödeme werden als Alterserscheinung abgetan. Das ist problematisch, denn die Erkrankung schreitet unbehandelt fort und schränkt die Lebensqualität der Betroffenen ein. Deshalb ist wichtig, bei andauernden Symptomen, vor allem auch in Kombination, die Beschwerden ärztlich abklären zu lassen. 
Der erste Weg sollte zum Hausarzt führen, der bei Verdacht eine Überweisung zum Kardiologen machen wird. Zur eindeutigen Diagnose der Herzschwäche führt die Kardiologin oder der Kardiologe in der Regel eine Herz-Ultraschall-Untersuchung sowie ein Belastungs-EKG durch. Je nach Befund kann es dann zu einem Krankenhausaufenthalt und entsprechender Therapie kommen. 
Bei der akuten Herzschwäche treten die Symptome plötzlich auf. Durch einen Herzinfarkt, extremen Bluthochdruck oder andere Herzerkrankungen nimmt die Herzleistung plötzlich dramatisch ab. In vielen Fällen kommt es zum Lungenödem, das sich durch starke Atemnot in Ruhe, rasselnde Atemgeräusche, Husten sowie Schaum in Mund und Atemwegen äußert. Weitere Symptome der akuten Herzschwäche sind Blässe, kalte Schweißausbrüche sowie Todesangst. Eine akute Herzschwäche ist ein Notfall, der sofort medizinisch behandelt werden muss.

IMAGE: Wie ist eine Herzschwäche behandelbar?
CONG: Die meisten Ursachen für eine Herzschwäche können wir heute sehr gut behandeln. Die wichtigsten Säulen der Herzschwäche-Therapie sind die medikamentöse Behandlung und eine angepasste Bewegungstherapie. Manchmal geht diesen therapeutischen Ansätzen noch eine operative Versorgung voraus. Die Durchblutung des Herzmuskels beispielsweise lässt sich durch eine Bypassoperation oder das Einsetzen eines Stents (künstliche Gefäßstützen, die verschlossene oder verengte Blutgefäße offenhalten) wieder verbessern, sodass auch eine Besserung der Herzschwäche eintritt. Herzklappenerkrankungen wie die Verengung der Aortenklappe (Aortenklappenstenose) lassen sich mittels Kathetertechnik oder operativem Klappenersatz behandeln. 
Die Senkung eines erhöhten Blutdrucks zählt ebenfalls zu den wichtigsten Therapiemaßnahmen bei chronischer Herzschwäche. Hier verfügen wir über gute Medikamente, deren regelmäßige Einnahme wichtig ist und von dem Betroffenen durch einen gesunden Lebenswandel in ihrer Wirkung unterstützt werden kann. Und natürlich lassen sich auch Erkrankungen wie Diabetes mellitus medizinisch gut behandeln. Wichtig für den dauerhaften Erfolg ist allerdings fast immer, dass der Betroffene selbst mit seinem Verhalten die Behandlung unterstützt.

IMAGE: Was kann man selbst tun? 
CONG: Ein gesunder Lebenswandel schützt nicht nur das Herz, sondern reduziert auch das Risiko für Erkrankungen. Die Werte von Blutdruck, Cholesterin und Blutzucker sollten jedem Menschen bekannt sein. Nur dann können bei regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen Auffälligkeiten frühzeitig entdeckt werden. 
Regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung mit Obst und Gemüse und wenigen tierischen Produkten, der Verzicht auf Rauchen und Alkohol oder zumindest eine deutliche Verringerung dieser Genussmittel ist geboten. Es gibt viele leckere Rezepte und Kochbücher, die zum Ausprobieren einladen. 
Die Behandlung einer chronischen Herzinsuffizienz soll das Fortschreiten der Erkrankung bremsen. Die Hinwendung zu einem gesunden Lebensstil ist auch bei einer bereits vorhandenen Erkrankung notwendig. Viel Bewegung mit wenig Kraftaufwand verbessert die Leistungsfähigkeit des Herzens und die Lebensqualität des Betroffenen. Spazierengehen, Wandern, Nordic Walking in langsamer zeitlicher Steigerung, ein Training in Herzsportgruppen und eine gute ärztliche Überwachung können nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Lebensdauer positiv beeinflussen.

von Dr. Anja Pielorz