Charta zur Betreuung Schwerstkranker: Aufnahme in die ambulante Palliativversorgung.
Tod und Sterben gehören zum Leben. Das weiß jeder, aber die meisten Menschen wollen mit dem Thema nichts zu tun haben. Wenn doch, wird es emotional. Das Thema lässt niemanden kalt.
Dem Tabuthema geht es schon seit Jahren an den Kragen. Ziel ist es, mit Hilfe der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen jedem nach seinen individuellen Bedürfnissen einen Zugang zu einer würdevollen Begleitung und Versorgung am Lebensende zu ermöglichen. Die Charta begann 2007 als internationale Initiative. Im September 2010 wurde sie nach dem Ergebnis von Arbeitsgruppen und 200 Experten formuliert und veröffentlicht, getragen von der Hospizbewegung und der Palliativmedizin.
Rund 3000 Institutionen und mehr als 32.000 Einzelpersonen (Stand Ende Oktober 2024) haben sie in Deutschland bereits unterzeichnet. Zu ihnen gehören auch die Bürgermeisterin von Sprockhövel, Sabine Noll, der Hattinger Bürgermeister Dirk Glaser (beide mit politischer Unterstützung der Stadtverordneten), der Landrat des EN-Kreises Olaf Schade, David Wilde, Vorstandsvorsitzender der Hattinger Wohnstätten (hwg), sowie viele weitere Institutionen und Privatpersonen aus Hattingen und Sprockhövel.
Die Charta ist ein Prozess, der von Aktion lebt. Das sieht auch Dr. med. Franz Krizanits so. Der Palliativmediziner ist Geschäftsführer des Palliativmedizinischen Dienstes EN-Kreis. Er kritisiert fehlende bundeseinheitliche Regelungen in der Palliativmedizin. „Die Palliativmedizin ist viel mehr als die Verabreichung von Schmerzmitteln. Wir haben im EN-Kreis seit 2009 zwei Palliativnetzwerke. Aber wir haben nur ein stationäres Hospiz in Witten. Bundesweit gibt es nur 250. Viel zu wenig. Auch Palliativstationen bzw. -betten gibt es zu wenig. Eine gute Palliativmedizin kann das Sterben im Krankenhaus verringern.“
Getreu den Leitsätzen der Charta füllt der Ambulante Hospizdienst Witten-Hattingen, Regionalgruppe Hattingen, den Prozess mit Charta-Tischen. Hier kommen Menschen zusammen, die in verschiedensten Einrichtungen mit Menschen arbeiten, die schwerkrank sind und sich in der letzten Phase ihres Lebens befinden – wie lange auch immer diese sein mag. Der erste Charta-Tisch Handicap brachte einen Notfallwegweiser auf den Weg, der kurz, knapp und ohne viel Tamtam Informationen bündelt: Dazu gehört eine 24-stündige Telefonnummer, die Erreichbarkeit eines Palliativteams und eines Hopizdienstes, aber auch das bevorzugte Krankenhaus, Kontaktpersonen und drängende medizinische Fragen – beispielsweise der Wiederbelebung oder der Beatmung. Insbesondere – aber nicht nur – für Menschen mit Handicap ist der handliche Ausweis im Notfall ein kleiner Allrounder für die drängendsten Fragen. In mehreren Terminen will der Ambulante Hospizdienst den Wegweiser nun verbreiten und Rettungskräfte sowie Ärzte auf das kleine, aber lebenswichtige Dokument aufmerksam machen.
Neuer Charta-Tisch Pflege
Jetzt gibt es einen neuen Charta-Tisch zum Thema Pflege. Mitarbeiter aus verschiedenen stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen sitzen mit am Tisch und berichten aus ihrem Alltag. Vor allem Menschen mit einer Demenz, die mit der unheilbaren Krankheit ihren Lebensweg zu Ende gehen müssen, verlangen den Pflegekräften viel ab. Betroffenheit und auch etwas Verzweifelung macht sich breit, als es um das Thema „Einschreiben in das Palliativnetzwerk“ (Aufnahme in die ambulante Palliativversorgung) geht.
In der ambulanten Palliativversorgung geht es darum, unheilbar erkrankte Menschen zu begleiten und ihnen ein selbstbestimmtes Leben in der häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Ziel der Palliativmedizin ist es, die Lebensqualität des Patienten zu erhalten und wenn möglich zu verbessern. Eine palliativmedizinische Behandlung beginnt, wenn eine Heilung nicht mehr erreicht werden kann. Sie legt den Fokus auf die Linderung von krankheitsbedingten Symptomen, wie beispielsweise Schmerzen, Luftnot, Übelkeit oder Angst. Sie berücksichtigt auch psychosoziale und spirituelle Belange. Wichtig zu wissen: Menschen mit weit fortgeschrittenen unheilbaren Erkrankungen haben einen gesetzlichen Anspruch auf eine palliative Versorgung. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Vergütung der ambulanten Palliativversorgung in Westfalen-Lippe.
Die Versorgung der Patienten im Ennepe-Ruhr-Kreis beruht auf den Verträgen mit der KVWL (Kassenärztliche Vereinigung Westfalen Lippe). Darin wird bestimmt, dass die Einschreibung ins Palliativnetz nur durch einen Haus- oder Facharzt erfolgen kann. Die Verträge kann man nachlesen auf der Webseite der KVWL: www.kvwl.de/arzt/recht/kvwl/palliativ/palliativ_vereinbarung.pdf. Sollte sich der betreffende Haus- oder Facharzt außerhalb des Gebietes vom Palliativmedizinischen Dienst EN-Kreis (Gevelsberg, Ennepetal, Schwelm, Sprockhövel oder Hattingen) befinden, kann er trotzdem in das Netzwerk einschreiben. Auf der Homepage palliativnetz-en-sued.de/downloads finden sich alle benötigten Formulare zum Herunterladen. Infos für Witten gibt es unter www.palliativnetz-witten.org.
Was der Charta-Tisch Pflege will: Wissen austauschen und sich vernetzen. Informationen zusammentragen. Der Tisch richtet sich an Menschen, die in der Pflege arbeiten. Nächster geplanter Termin ist Donnerstag, 23. Januar, 15.30 Uhr, in den Räumen Ambulanter Hospizdienst Witten-Hattingen, Regionalgruppe Hattingen, Krämersdorf 3 in der Hattinger Innenstadt.
Kontakt: Palliativmedizinischer Dienst Ennepe-Ruhr-Kreis, Brüderstraße 4 in 58285 Gevelsberg; Telefonnummer: 02332 55 13 0 52; E-Mail: sekretariat@palliativnetz-en.de. Bürozeiten 8 bis 14 Uhr. anja