Zusammen mit Thomas Weiß, Stadtarchivar in Hattingen, schlägt IMAGE regelmäßig ein historisches Kapitel der Stadt auf. In diesem Jahr blicken wir auf 625 Jahre Stadtgeschichte zurück. Wir werfen einen Blick in die zweiten hundert Jahre 1496 bis 1596.
Das Alte Rathaus mit einem Markt im Vordergrund. Foto: Stadtarchiv
In diesem Jahr wird Hattingen an der Ruhr 625 Jahre alt. Die Gründung der alten Hansestadt mit der Verleihung ihrer Stadtrechte haben wir bereits in der ersten Folge unserer Serie beschrieben. Jetzt geht es um die erste wirtschaftliche Blüte, aber auch um die ersten großen Veränderungen und Heimsuchungen.
Ab 1500 geht es mit Hattingen steil bergauf. Mehr Menschen, mehr Handel, mehr Wirtschaft - Hattingen wird 1554 zur Hansestadt erklärt. Vor allem die Tuchmacher sind es, die der neuen Stadt zur ersten wirtschaftlichen Blüte verhelfen. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts ist das Tuchmacherhandwerk somit das bedeutendste wirtschaftliche Gewerbe der Stadt und wird durch die Industriealisierung und die Henrichshütte abgelöst.
Übrigens: 1498 erhielt Hattingen das herzogliche „Privileg“, dass sich keine Juden mehr innerhalb des Stadtgebietes ansiedeln dürfen. Die bereits ansässigen Juden mussten die Stadt verlassen. Damit war den Juden die Ausübung eines Handwerks in Hattingen untersagt. Nur als fahrende Händler hatten sie die Möglichkeit, in der Stadt zu verweilen. Der Blick in die Stadtgeschichte zeigt, dass danach über 300 Jahre keine Juden mehr in Hattingen lebten. Erst 1809 gibt es wieder Hinweise auf eine Ansiedlung in der Stadt. Die Hintergründe, die zu dem herzoglichen „Privileg“ geführt haben, werden in wirtschaftlichen Zusammenhängen vermutet. Man geht davon aus, dass Hattinger Bürger Geld an den Landesherren zahlten, damit dieser das „Privileg“ aussprach. Möglicherweise wollte man sich unliebsamer Konkurrenz entledigen.
Dort, wo immer mehr Menschen zusammenleben, muss ein solches Leben in Regeln gegossen werden. Verwaltung und Politik werden sichtbarer - spätestens ab 1576 mit dem Alten Rathaus. Schon vorher hatte sich die Fleischhalde am Haldenplatz zum Sitz der städtischen Selbstverwaltung entwickelt. Bereits 1567 versammelt man sich „op der Hallen“. Hintergrund der Verbindung von Rat und Rind ist die Tatsache, dass die Versorgung der stetig wachsenden Bevölkerung mit Fleisch eine wichtige Grundlage für die Ernährung war. Die Fleischhallen waren durch Landesrecht genehmigt. So wird folgerichtig auf dem Boden der Fleischhalle das Alte Rathaus zum Sitz der neuen Politik und Verwaltung errichtet.
Das Zusammenleben von immer mehr Menschen fordert immer mehr Verordnungen. So gibt es eine solche über das Hüten von Schafen, Rindern und Schweinen. Im gleichen Jahr, 1570, taucht eine Düngeverordnung auf. Ein Gildestatut kommt und besteht aus zwanzig Artikeln. Selbst Hochzeitsfeiern werden mit einer Verordnung überzogen. Kinder dürfen übrigens gar nicht mitfeiern und überhaupt darf nur noch eine Mahlzeit während der Feier gereicht werden „unnd nicht mer“. Eine neue Fleischordnung wird erlassen und regelt, was wo und wie geschlachtet werden darf und zu welchem Preis die Ware verkauft wird. Neben der Vielzahl von stetig wachsender Bürokratie werden diese Jahre durch zwei weitere wichtige Themen bestimmt.
Zum einen sind es Krankheiten, die sich durch das Zusammenleben der Menschen rasant verbreiten können. Dazu gehören der Englische Schweiß, die Durchfallerkrankung rote Ruhr, aber auch die Pest. Der „Schwarze Tod“ suchte Hattingen 1542 und 1599 heim und raffte fast ein Drittel der Bevölkerung hinweg. Zu den Toten gehörte auch Pfarrer Hülsbusch. Das bis dahin katholische Hattingen erfuhr langsam aber stetig einen Religionswandel. Martin Luther löste mit seinen Ideen eine neue Bewegung aus, die zu einer neuen Konfession führte. 1580 setzte sich die Reformation auch in Hattingen durch. Besagter Pfarrer Hülsbusch ließ sich 1581 überreden, als Protestant eine Fronleichsnams-Prozession anzuführen und vermischte die alten und neuen Kirchenriten. Seine Krankheit brach während der Prozession aus und die Bevölkerung wertete die Erkrankung als Mahnung Gottes, als Gottesurteil, zur völligen Besinnung auf die reformierte Kirche und als Verrat an der reinen evangelischen Lehre. 1582 bekannten sich Bürgermeister und Rat zur Augsburgischen Konfession von 1530, das Glaubensbekenntnis der Lutheraner. Immer öfter kam es in den Predigten zu einem Übergang von Latein zu Deutsch. Das Volk sollte verstehen, was man ihnen predigte. Heute gehören knapp 25.000 Hattinger dem protestantischen Glauben an, 16.000 bekennen sich zum katholischen Glauben. Ein Problem beider großen Konfessionen ist indes heute die Abkehr vieler Menschen von der Institution Kirche und die sinkende Zahl der Gottesdienstbesucher.
Von Besatzungen, allerlei Übeln und Unrat ist im nächsten Teil zu lesen, wenn es um die Zeit von 1597 bis 1697 geht. anja