Auf den ersten Blick wirkt die Ruhr mit ihrer Aue bei Witten und Wetter wie eine intakte Landschaft...
Foto: : P. Güntermann
Die Wasserqualität ist zwar viel besser als früher, doch weist der Fluss deutliche Defizite in seinem ökologischen Zustand und Gesamtbild auf. So kommen die typischen Fischarten nicht mehr vor oder müssen durch Besatz in ihrem Bestand gestützt werden und Eisvogel und Uferschwalbe finden kaum noch lehmige Steilufer. Hauptursache ist die künstliche Befestigung der Ufer mit massivem Steinmaterial. Bis 2027 muss die Ruhr nach den Vorgaben der europäischen Wasserrahmenrichtlinie in einen naturnahen Zustand versetzt werden.
Momentan läuft schon die dritte Phase einer umfangreichen Renaturierungsmaßnahme im Abschnitt zwischen Wetter und Witten: Auf einer Länge von 3,7 Kilometern werden die künstlich geschaffene Uferbegrenzungen aus der Vergangenheit zurückgebaut und der Fluss wieder an seine alten Auen angebunden. 2018 begann die erste Phase mit dem Bauabschnitt von der Mündung des Stollenbaches in Wetter-Wengern bis zum Campingplatz Steger in Witten-Bommern linksseitig der Ruhr. In 2020 erfolgten die Bauarbeiten zum zweiten Bauabschnitt am rechten Ruhrufer auf den Entwicklungsflächen in Gedern. Kampfmittelfunde verzögerten den Baubeginn der dritten und vorerst letzten Phase im letzten Jahr bis Mitte Januar.
Bereich der Nachtigallfläche wird renaturiert
Wie Anna Carla Springob von der Bezirksregierung Arnsberg informiert, zielen die Arbeiten in Witten ebenfalls auf die Entfesselung der Ruhr. Dazu werden die Böschungsbefestigungen des in Fließrichtung rechten Ufers in Höhe der Nachtigallfläche entfernt. Die Ruhr wird gleichzeitig aufgeweitet und neue Gewässerstrukturen werden geschaffen, in denen sich die Ruhr auf natürliche Weise verlagern. Bei Niedrigwasser stehen die Uferflächen Robustrindern zur Beweidung zur Verfügung, die die Ruhr bei einem steigenden Wasserpegel überfluten kann.
Neuer Lebensraum für Flora und Fauna
Durch die Renaturierungsmaßnahmen entstehen absehbar kleine Kiesbänke und Inseln, die wiederum Lebensräume für Insekten, Vögel und Pflanzen bilden. Unter Wasser entwickelt sich so ein reich strukturiertes Flussbett, in dem sich der typische Fischbestand der Ruhr, zum Beispiel die Barbe, entwickeln kann. Neophyten wie Riesenbärenklau oder Japanischer Staudenknöterich sollen zu Gunsten der einheimischen Arten zurückgedrängt werden.
Durch die Baumaßnahmen werden ca. 15.000 m³ Bodenaushub bewegt, der im Gebiet verbleibt und am Talrand zu einem Hügel aufgeschüttet wird. Er dient zum einen Besuchern, damit sie die Aussicht auf die schöne Umgebung genießen und die Natur beobachten können. Auch der überregional sehr beliebte Ruhrtalradweg führt unmittelbar am Renaturierungsgebiet vorbei. Zum anderen bietet der Hügel Rindern bei Hochwasser einen Rückzugsort, damit sie keine nassen „Füße“ bekommen.
Wie die Bezirksregierung weiter informiert, haben die bereits fertiggestellten ersten beiden Bauabschnitte an der Ruhr in Witten und Wetter die Erwartungen weit übertroffen. So hat sich die Population der Eisvögel mehr als verdoppelt: im Frühjahr 2021 konnten an einer Steilwand des rechtsseitigen Ufers mehr als 80 Uferschwalben beim Bau ihre Bruthöhlen mit ca. 140 Röhren beobachtet werden.
Die Baukosten für diesen rund 1,2 km langen Abschnitt betragen 200.000 Euro und werden aus dem Landesprogramm „Lebendige Gewässer“ finanziert. Mit diesem Projekt wird die europäische Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) im Regierungsbezirk umgesetzt und gleichzeitig an erfolgreiche Maßnahmen im Oberlauf der Ruhr angeschlossen. dx