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Hattingen

Bauen im Bestand? „Da ist immer dunkel vor der Schippe”

Baudezernent Jens Hendrix über zu wenig Personal und zu lange Zeiten im Bauprozess.

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Jens Hendrix, Baudezernent und Fachbereichsleiter der Stadt Hattingen.

2013 kam Jens Hendrix nach Hattingen. Geboren in Brey, südlich von Koblenz, Studium der Raumplanung in Dortmund, dann am Bauhaus Dessau. Städtebaureferent in Berlin im „Roten Rathaus“, Weimar, dann Bochum und schließlich Hattingen. 2017 sagte er in einem Interview: „Als Stadtplaner bin ich nicht so sehr an Revolution, sondern an Reform interessiert.“ Heute liebt er den Entwicklungsprozess einer Stadt immer noch - sieht allerdings auch die Sargnägel.

IMAGE: Gibt es in der Bauverwaltung zu wenig Personal?
HENDRIX: Ja. Wir suchen vor allem Architekten und Bauingenieure. Aber der Markt ist leer und ausgebildet wird auch nicht viel. Hinzu kommt: Wir befinden uns seit zwei bis drei Jahren in einem dauerhaften Krisenmodus. Corona-Pandemie, Flüchtlingskrise, Klimakrise - ein Arbeitskreis jagt den nächsten. Sie mögen jeder für sich wichtig sein, aber sie binden Personal und Zeit. Wir bauen viel, haben sehr viel kommunale Fläche und zu wenig Personal.

IMAGE: Die Kritik vieler Bürger bezieht sich zum einen auf die Bearbeitungsdauer von Bauanträgen und zum anderen auf die lange Dauer von Baumaßnahmen. Was sagen Sie dazu?
HENDRIX: Beginnen wir mit den Baumaßnahmen. Von den ersten Entwürfen bis hin zum fertigen Bau vergeht in der Tat oft eine lange Zeit. Eine ordnungsgemäße Ausschreibung ist nicht nur zeitintensiv, sondern auch sehr komplex. Nehmen wir beispielsweise die Bahnhofstraße. Es gab einen ersten Bewilligungsbescheid nur für einen Teilbereich. Das machte keinen Sinn. Also haben wir gewartet, bis die Bewilligung für das ganze Bauprojekt vorlag. Dann erfolgte eine verpflichtende europaweite Ausschreibung, denn nur Kleinaufträge in Höhe bis zu 25.000 Euro dürfen ohne Ausschreibung vergeben werden. Doch bei der Ausschreibung hat sich niemand gemeldet, also haben wir zum zweiten Mal ausgeschrieben. Der Gesetzgeber hat uns nicht die Möglichkeit gegeben, nach einer erfolglosen Ausschreibung einen anderen Weg zu gehen. Ohne eine erfolgreiche Ausschreibung gibt es kein Bauprojekt. Durch diesen Prozess gehen Jahre ins Land und der Bürger hat von außen betrachtet das Gefühl, es passiere nichts. Haben wir dann endlich den Start der Baumaßnahme geschafft, ist so viel Zeit vergangen, dass die kalkulierten Kosten nicht mehr richtig sind. Nachverhandlungen und Umschichtungen sind nur zwei Möglichkeiten, um die man sich kümmern muss. Hinzu kommt der derzeitige Mangel an Material und Personal - und schon dauert die Baumaßnahme deutlich länger und ist viel teurer. Vor allem für ein Bauen im Bestand gibt es diese Risiken. Da ist es halt immer dunkel vor der Schippe.

Feuerwehrhaus und Schule
Beispielsweise das gerade fertiggestellte Feuerwehrhaus in Niederwenigern. Nach einer langen Verhandlungsphase mit den Nachbarn aufgrund der vorhandenen räumlichen Enge haben wir im Juli 2021 mit dem Bau an alter Stelle begonnen. Jetzt sind wir mit nur geringer Zeitverzögerung fertig, aber die Kosten liegen um eine Million Euro höher. Kalkuliert haben wir im Jahr 2017 mit 1,2 Millionen. Fördermittel gab es 250.000 Euro. Gekostet hat der Bau 2,2 Millionen Euro. Die Herausforderungen haben sich während der Bauphase beim Bauen im Bestand ergeben: Statik, umfangreiche Abdichtungen. Aber es gibt Baumaßnahmen, die wirklich sehr gut laufen. Der Neubau der Gesamtschule in Welper beispielsweise. Hier arbeiten wir mit einem Generalunternehmer. Das macht eine Kommune eher selten. Zeitlich und finanziell sind wir im Plan bei einem Auftragsvolumen von 7,4 Millionen Euro. Wir arbeiten mit einem Generalunternehmer, weil wir das mit eigenen Leuten einfach nicht bewältigen könnten. Erfolgreich ist auch der Bürgertreff an der Hunsebeck in Welper. Er ist jetzt fertig nach einem Jahr Bauzeit. Aber: 2017 haben wir ihn mit 600.000 Euro kalkuliert. 800.000 Euro sind es schließlich geworden.

IMAGE: Die Bearbeitungsdauer von Bauanträgen ist aber auch zu lang?
HENDRIX: Wir haben derzeit rund 350 offene Verfahren. Man muss aber dazu sagen, dass uns der Gesetzgeber durch die Novellierung der Bauordnung weniger Spielraum lässt. Wir konnten früher fehlende Unterlagen mit einer Fristverlängerung einfordern. Jetzt müssen wir nach dem Verstreichen der Frist den Bauantrag zurückweisen und haben keine weitere Möglichkeit mehr. Der Bauantrag muss dann komplett neu gestellt werden. Manchmal fehlt auch einfach ein Dokument, weil der Bauherr beispielsweise keinen Vermesser gefunden hat. Spielt keine Rolle. Ist die Frist vorbei, müssen wir ablehnen. Außerdem gibt es sehr viele Neuerungen beim Gesetzgeber. Wenn ein Gebäude öffentlich betretbar ist, muss man sich um die Barrierefreiheit kümmern. Manchmal fehlen in den eingereichten Bauanfragen einfach Unterlagen. Es kommt auch vor, dass wir die Baugenehmigung erteilt haben, der Bauherr den genehmigten Antrag aber aus irgendwelchen Gründen nicht ausführt. Da mögen sich seine Interessen geändert haben oder die Finanzen - was auch immer. Auch hier sieht der Bürger nur: da passiert nix.

IMAGE: Was wünschen Sie sich denn im Umgang zwischen Bürgern und Bauverwaltung?
HENDRIX: Respekt und Wertschätzung. Manche Beschwerden, die mich mündlich oder schriftlich erreichen, sind unterirdisch. Die Herausforderungen mit Personal, Material, Lieferzeiten, Kosten und Bürokratie sind nun einmal da und eigentlich hinlänglich bekannt. Außerdem: Nicht immer ist Homeoffice für die notwendige Vernetzung von Arbeitsbereichen sinnvoll und - das darf ich auch sagen - manche Menschen haben sich schlicht in ihrer Arbeitsweise verändert, weil die Work-Life-Balance bei dem ein oder anderen nicht mehr zu stimmen scheint.  anja