Zusammen mit Thomas Weiß, Stadtarchivar in Hattingen, schlägt IMAGE regelmäßig ein historisches Kapitel der Stadt auf. Diesmal geht es um die Anfänge des Hattinger Weihnachtsmarktes. Der Kirchplatz wurde erst 2001 einbezogen.
1950 begrüßte der Einzelhandel die Hattinger und ihre auswärtigen Besucher mit St. Nikolaus und einem Märchenzug. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen Weihnachtsmarkt auf dem Kirchplatz in der Hattinger Altstadt.
„Grundsätzlich ging und geht es bei einem Weihnachtsmarkt immer darum, Geschäfte zu machen und Handel zu treiben“, sagt Stadtarchivar Thomas Weiß. Auch im Schein der Lichter und Kerzen liegt der Schwerpunkt des Marktgeschehens nicht im Geiste der Weihnacht, sondern in der Geldbörse der Besucher.
„1940 gab es zwar auf dem Untermarkt im Stadtbild einige Marktstände, aber mit Licht und Kerzen war da nicht viel zu machen. Es war Krieg und man musste verdunkeln“, so Weiß.
Doch schon bald nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges standen die fünfziger Jahre für Aufbruch und Konsum. Besonderer Schwerpunkt war im neu erblühten Einzelhandel das Schau-Fenster. Hier wurde gerade in der Weihnachtszeit die Ware in Szene gesetzt. „Die Stadt hatte zu diesem Zeitpunkt mit dem Thema Weihnachtsmarkt nichts zu tun. Die Initiative kam aus dem Einzelhandel heraus“, schildert Thomas Weiß.
Dabei stand das lokale Einkaufen - wir nennen es heute Heimat shoppen - schon damals im Vordergrund. Das gemütliche Hattingen mit seiner Altstadt versuchte mit genau diesen Aspekten zu werben: Wir machen Stimmung mit Lichtern, hieß es damals. „Man schaffte beispielsweise auch Großscheinwerfer an, um bestimmte Objekte, etwa St. Georg oder das Alte Rathaus stimmungsvoll in Szene zu setzen.“
Auch ein weihnachtlicher Umzug mit St. Nikolaus und Märchenfiguren an bestimmten Tagen wurde in Szene gesetzt - in einer Innenstadt, in der es damals noch keine Fußgängerzone gab. Beim Märchenzug wurden kleine Bilderbücher verteilt und in jedem siebten von ihnen steckte ein Gutschein für den örtlichen Handel. Nikolaus vergaß damals in den fünfziger Jahren auch die Kranken nicht und besuchte sie im Krankenhaus. 1951 gab es zwar keinen Märchenumzug, aber Märchenfiguren an festen Standorten. Ein Highlight war eine Händleraktion aus dem Jahr 1952: Unter dem Motto „Wem die Glocke schlägt“ wurde in den teilnehmenden Geschäften jeweils ein Wecker in einem verschlossenen Karton aufgestellt. Jeden Tag kam ein Notar, um diesen Wecker auf eine Uhrzeit einzustellen, schloss den Karton wieder ab und nahm den Schlüssel an sich. Irgendwann im Verlaufe des Tages klingelte der Wecker und der Kunde, der gerade an der Kasse stand, durfte sich darüber freuen, dass ihm der Einkauf erstattet wurde. Ein Weihnachtsmarkt mit den uns heute bekannten klassischen Weihnachtsbuden wurde erst langsam ab den sechziger Jahren aufgebaut. Licht und Stimmung hatten eine herausragende Bedeutung. 1962 galt „Hattingen als leuchtende Insel im winterlich düsteren Ruhrtal“.
Nicht involviert war damals übrigens die Altstadt. Der ein oder andere mag sich daran erinnern, dass überhaupt der Erhalt dieser Altstadt nicht unstrittig war. „Hattingen warb schon damals mit Weihnachtsgefühl, denn die Konkurrenz lag in den großen Angeboten der umliegenden Großstädte.“
Die siebziger Jahre sind geprägt durch die Fertigstellung der Fußgängerzonen, die man in den sechziger Jahren begonnen hatte. Auch Hattingen bekam mit der Heggerstraße seine Fußgängerzone und damit die Möglichkeit, auch Weihnachtsmärkte anders zu gestalten. 1974 war es endlich soweit.
Der Druck durch die Angebote der umliegenden Großstädte lastete immer schwerer auf Hattingen. So wundert es nicht, dass auch in der alten Hansestadt an der Ruhr die Diskussion um eine Verlängerung des Weihnachtsmarktes in der Innenstadt geführt wurde. In den neunziger Jahren entstanden Stadtteilmärkte in Blankenstein (1994), Welper (1995) und Holthausen (1997). 1999 stellte die Werbegemeinschaft einen Antrag auf Ausweitung des Innenstadtmarktes auf fünf Wochen ab Mitte November. Sie bekam aber soviel Gegenwind, dass der Antrag nach wenigen Wochen zurückgezogen wurde. Noch 2001 wehrte man sich gegen einen Weihnachtsmarkt auf dem Kirchplatz. Im gleichen Jahr startete die Kirchengemeinde selbst mit dem „Adventszauber“ einen ersten Versuch. 2003 übernahm der Unternehmer Alfred Schulte-Stade den Markt und machte den Kirchplatz zum Herzstück des Hattinger Weihnachtsmarktes. 2005 wurde Hattingen Marketing ins Leben gerufen.
In diesem Jahr wird es aufgrund der Corona-Pandemie keinen Weihnachtsmarkt in Hattingen geben. Stattdessen sind die Händler aufgerufen, mit ihren SCHAU-Fenstern den Geist der Weihnacht lebendig zu halten. Die Weihnachtsbeleuchtung wird aber auch 2020 dafür sorgen, dass die alte Hansestadt eine leuchtende Insel der Gemütlichkeit im Ruhrtal wird. anja