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Anderer Blick aufs Leben

Warum (junge) Menschen Bestatter werden.

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Ein ganz gewöhnlicher Job ist das sicher nicht - unterwegs sein als Bestatter. Menschen für ihre letzte Reise vorbereiten - in der Regel für die Erd- oder Feuerbestattung. Sich um trauernde Angehörige kümmern. Bürokram erledigen. Warum will man im Leben den Tod alltäglich vor Augen haben? IMAGE hat mit Dennis Dettmer (39) und Sofia Gomes (18) gesprochen. Dennis ist seit 11 Jahren im Job und Sofia hat gerade ihre Ausbildung begonnen - beide arbeiten im Bestattungsunternehmen Vosskühler in Sprockhövel. Warum machen sie diesen Job?
Die Wittenerin Sofia Gomes (18) erzählt: „Meinen ersten Berührungspunkt mit dem Tod hatte ich durch das Versterben meines Großvaters. Aber ich war damals noch sehr jung. Ich bekam nur zu hören, ich dürfte nicht singen, weil Opa gestorben sei und das eben zur Trauer gehöre. So richtig verstanden habe ich es nicht. Später hat meine Freundin ein Praktikum bei einem Bestatter gemacht und mir davon erzählt. Ich selbst habe zunächst eine Friseurlehre angefangen. Aber weil ich an MS erkrankt bin, fiel mir das Halten der Schere schwer und ich konnte auch nicht immer die ganze Zeit stehen. Dann habe ich mich an das Praktikum meiner Freundin bei einem Bestatter erinnert und selbst eines gemacht. Leicht war das nicht - vor allem weil ich damals schon mit dem plötzlichen Kindstod konfrontiert wurde und dieses Baby gesehen habe. Aber ich hab das durchgestanden und die Berührungsängste abgebaut. Ich habe mich immer mehr für den Beruf interessiert und dann in meinem Ausbildungsbetrieb in Sprockhövel noch einmal ein paar Wochen Praktikum gemacht. Dann war alles klar.“

Einen Job machen, den nicht jeder machen will
Ihre Familie unterstütze sie bei ihrem nicht alltäglichen Berufswunsch. „Meine Freundin findet das auch cool, mein Freund muss sich noch etwas daran gewöhnen“, lächelt sie. Was sie reizt: „Die Arbeit ist unglaublich vielseitig. Neben der Büroarbeit sind es Überführungen, es sind Vorsorgen zu besprechen. Es gibt die Arbeit mit den Angehörigen und die Arbeit am Verstorbenen. Mir ist es wichtig, Würde in meine Arbeit zu legen. Ich habe jetzt schon so viel gelernt. Ich kannte nur die Bestattungsformen im Sarg oder der Urne und weiß jetzt, es gibt so viel mehr Möglichkeiten. Ich hab immer schon gesagt, ich mache mal was, was nicht jeder machen will und so ist das jetzt auch. Meine Freundin wird Polizistin und vielleicht treffen wir uns später einmal im Job“, überlegt sie. Was ihr sehr bewusst wurde durch ihre Arbeit: „Jeder Tod ist anders und jeder Mensch geht auch anders damit um. Gerade wenn man sehr jung ist und noch wenig Berührung mit dem Thema hatte, erlebt man das jetzt sehr intensiv. Ich mag den Kontakt mit den Angehörigen und möchte ihnen ein würdevolles Abschiednehmen ermöglichen.“ Privat macht die 18-Jährige das, was viele junge Menschen gern machen. Sie trifft sich mit Freunden und geht gerne aus. Sie schminkt sich gern. „Ich mache mich selbst immer gerne zurecht. Ich glaube, im Job werde ich auch ein Händchen haben für den Verstorbenen, dass er eben gut aussieht, wenn seine Lieben von ihm Abschied nehmen. Ich selbst hatte früher mehr Angst vor dem Tod. Heute gehe ich bewusster mit dem Leben um und bin dankbar dafür. Mir ist aber auch bewusster geworden: der Tod gehört zum Leben.“

Als Quereinsteiger zum Bestatter geworden
Dennis Dettmer (39) kennt das alles schon länger. Er ist seit elf Jahren dabei und kam als Quereinsteiger. „Ich habe eigentlich Kfz-Mechaniker gelernt. Aber ich bin 1,92 Meter groß und das Stehen unter der Hebebühne war eher problematisch. Na ja, ich habe mich umgeschaut und bin über die Tischlerei zum Bestatterberuf gekommen. In vielen Familienbetrieben gehörten früher Tischlerei und Bestattungen ja zusammen. Mein erster Einsatz war auch gleich ein Polizeifall. Jetzt bin ich seit elf Jahren dabei und habe meine berufliche Heimat gefunden.“
Auch Dennis Dettmer sieht in der vielseitigen Arbeit einen Pluspunkt. „Und es ist Handarbeit - im Sinne des Wortes. Das liegt mir. Und es ist eine würdevolle Arbeit. Ein Dienst am Menschen, der letzte Dienst. Ich bin da einfach auch sehr mit dem Herzen dabei.“
Dettmer beobachtet bei Bestattungen die Veränderungen in der Gesellschaft. „Es gibt sehr viele verschiedene Bestattungsmöglichkeiten. Heute geht der Trend zu einem pflegeleichten Grab. Aber auch Wald- oder Baumbestattung oder eine Seebestattung haben immer mehr Befürworter gefunden. Die meisten Menschen versterben heute im Krankenhaus, Altenheim oder Hospiz. Haussterbefälle sind sehr selten geworden. Sehr unterschiedlich ist auch, in welcher Kleidung Menschen bestattet werden. Ich habe schon im Jogginganzug beerdigt - weil das eben ein Lieblingsstück war. Wird jemand feuerbestattet und Angehörige möchten den Verstorbenen nicht mehr vorher sehen, trägt der Tote oft einen Talar. Aber auch hier gibt es die Möglichkeit, individuelle Bekleidung zu tragen. Sie muss aber dann aufgrund des Verbrennungsprozesses zu 100 Prozent aus Baumwolle bestehen. Ich persönlich finde es gut und richtig, einen verstorbenen Menschen individuell auf seinen letzten Weg zu schicken. Dazu gehört nicht nur das persönliche Kleidungsstück, sondern auch Überlegungen zur Beerdigung und zur Trauerfeier. Manchmal hat der Verstorbene das ja selbst in einem Bestattungsvorsorgevertrag festgelegt. Falls das nicht der Fall ist, müssen das Angehörige regeln. Das fällt oft schwer. Es ist schließlich eine einmalige emotionale Situation. Ich habe in diesen elf Jahren so viel erlebt. Man bekommt einfach einen anderen Blick auf das Leben.“ anja