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Gesundheit

An Parkinson erkrankt: Viel mehr als einfach nur ein Zittern

IMAGE im Gespräch mit dem Neurologen Dr. David Minwegen vom Ev. Krankenhaus in Witten.

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Dr. med. David Minwegen, Facharzt für Neurologie am EvK Witten. Foto: EvK Witten

Dr. med. David Minwegen ist Facharzt für Neurologie am Evangelischen Krankenhaus Witten. Nach der Demenz ist die Parkinson-Krankheit die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Mindestens 200.000 Menschen sind in Deutschland von der Krankheit betroffen, die mehrheitlich bei Menschen über 60 Jahren auftritt. Es wird aber ein Anstieg jüngerer Altersgruppen beobachtet. Betroffen sind deutlich mehr Männer als Frauen. IMAGE sprach mit dem Facharzt über Ursachen, Therapien und Lebenserwartung.

IMAGE: Was versteht man unter der Parkinson-Krankheit? Woran leiden die Betroffenen?
MINWEGEN: Der Londoner Arzt James Parkinson beschrieb als Erster 1817 zwei von drei wesentlichen Symptomen der Parkinsonschen Krankheit, die man damals noch Schüttellähmung nannte. Es sind dies der Tremor, ein unkontrolliertes Zittern, sowie die Akinese, eine Bewegungsarmut. Etwas später wurde durch den französischen Neurologen Jean M. Charot das dritte Symptom beschrieben. Dabei handelt es sich um den Rigor, eine Muskelstarre oder Steifigkeit, die er damals allerdings nicht der Parkinson-Erkrankung zuschrieb. Heute wissen wir, dass diese drei Symptome mit Störungen im Gleichgewicht zu den wesentlichen Merkmalen der Krankheit gehören. Der Grund für diese Beschwerden liegt im Gehirn. Für die Bewegungsstörung verantwortlich ist ein Mangel des Botenstoffs Dopamin. Beim Morbus Parkinson kommt es zum Untergang der Dopamin produzierenden Nervenzellen. Durch den Mangel von Dopamin ist die Kommunikation der Nervenzellen, die die Bewegung initiieren und koordinieren, gestört. Bei der Parkinson-Erkrankung handelt es sich um eine degenerative Erkrankung. Sie schreitet bei den Betroffenen voran und ist nicht heilbar.
IMAGE: Welche therapeutischen Möglichkeiten gibt es?
MINWEGEN: Weil die Krankheit noch nicht heilbar ist, konzentrieren sich die therapeutischen Maßnahmen auf die Linderung der Symptome und ihrer Beschwerden. Dadurch ist es den Patienten möglich, über Jahre oder sogar Jahrzehnte, die Symptome und Beschwerden gut zu kontrollieren und ein relativ uneingeschränktes Leben zu führen. Die Therapie setzt sich aus verschiedenen Bereichen zusammen. Hauptaugenmerk ist eine medikamentöse Kombinationstherapie, begleitet von Physiotherapie, Logopädie oder Ergotherapie. Außerdem kann eine psychische Begleitung bei dem Betroffenen und gegebenenfalls auch eine Familien- und Angehörigentherapie ratsam sein. Weil die Krankheit trotzdem voranschreitet, verändern sich die Bedürfnisse des Betroffenen. Die Therapie muss entsprechend angepasst werden. Weitere Behandlungsoptionen für schwer Betroffene ist ein neurochirurgischer Eingriff.

IMAGE: Bringt eine Operation die Krankheit zum Stillstand?
MINWEGEN: Nein. Nicht jeder Betroffene kommt überhaupt für eine solche Operation in Betracht. Durchgeführt wird beispielsweise eine Tiefe Hirnstimulation. Grundsätzlich ist ein solcher Eingriff auch nicht ohne Risiko, sodass gemeinsam mit neurologischen Fachärzten die Entscheidung gut durchdacht sein will. Eine Operation kann aber dennoch helfen, mehr Kontrolle über die Symptome zu bekommen. Eine Genesung ist nicht möglich.

IMAGE: Wie muss man sich ein Leben mit Parkinson vorstellen?
MINWEGEN: Das ist abhängig vom Krankheitsverlauf. Am Anfang der Erkrankung und einem medikamentös gut eingestellten Parkinson helfen vor allem tägliche Bewegung, Stressabbau, gesunde Ernährung und eine positive Lebenseinstellung. Auch bei der Wahl der Kleidung ist darauf zu achten, Reißverschlüsse zu meiden und auf Tragekomfort der Bekleidung ein Auge zu haben. Diese Aufgabe kommt oft den Familienmitgliedern zu. Schreitet die Krankheit voran, werden zunehmende Hilfsmittel immer wichtiger. Bei etwa dreißig bis vierzig Prozent aller Parkinson-Erkrankten tritt im Laufe der Erkrankung eine Demenz auf. Kognitive Einschränkungen kommen dann zu den körperlichen Symptomen dazu. An Parkinson-Demenz erkranken ältere Menschen, deren Risiko etwa ab dem 70. Lebensjahr stark ansteigt. Daher ist die Erkrankung auch als geriatrisches Krankheitsbild zu betrachten. Nicht selten treten begleitend weitere psychische Beschwerden wie Depression, Angstzustände oder Halluzinationen auf. Die Betroffenen verlieren zunehmend ihre Selbstständigkeit und benötigen im fortgeschrittenen Stadium Hilfe rund um die Uhr.

IMAGE: Gibt es Möglichkeiten, einer Parkinson-Erkrankung vorzubeugen?
MINWEGEN: Eine gezielte Vorbeugung zur Verhinderung der Erkrankung ist bis heute nicht bekannt. Wir haben aber Hinweise, dass genetische Vorbelastungen das Risiko erhöhen können.  
Eine gesunde Lebensweise und regelmäßige Bewegung sowie geistige Aktivitäten können das Ausbrechen der Parkinson-Symptome eventuell hinauszögern. Eine Therapie mit L-Dopa beugt einem Voranschreiten nicht vor, aber durch eine medikamentöse Therapie können krankheitsbedingte Komplikationen vermieden werden, was wiederum zu einer steigenden Lebenserwartung führt - bei gleichzeitig verbesserter Lebensqualität.

IMAGE: Wie sieht die Zukunft aus? Wird Parkinson irgendwann heilbar werden?
MINWEGEN: Bisher ersetzen wir bei einer medikamentösen Therapie das fehlende Dopamin, können aber die Nervenzellen noch nicht vor ihrem Untergang bewahren. Wenn wir verstehen, welche Stoffwechselwege bei den Betroffenen gestört sind, können wir bei der Therapie an den Ursachen ansetzen. Einer der wichtigsten genetischen Risikofaktoren, von denen angenommen wird, dass sie zur Entstehung von Parkinson beitragen, ist eine Mutation im Gen GBA1, die zu einer Anreicherung von Alpha-Synuclein im Gehirn führt. Der Parkinson-Fonds Deutschland fördert seit Jahren die Grundlagenforschung auf diesem Gebiet.
Für Neurologen ist Parkinson heute eine individuelle Erkrankung mit vielen Gesichtern. So werden auch die Therapien der Zukunft individuell sein und die Krankheit hoffentlich heilen können.  anja