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Witten

„Abfall - der unerkannte Schatz“

Johannes Einig, Geschäftsführer AHE GmbH.

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Johannes Einig, Geschäftsführer bei der AHE GmbH. Für ihn ist Abfall ein Wertstoff und der größte unerkannte Schatz in Europa.

Seit 2017 ist Johannes Einig Geschäftsführer der AHE GmbH. Das Entsorgungsunternehmen in der Region wurde 1991 durch die AVU und das Entsorgungsunternehmen Gerhard Heintke GmbH & Co gegründet. Daher leitet sich auch der Name ab: AHE = AVU + Heintke Entsorgung. Standorte gibt es in Wetter, Witten, Gevelsberg und Herdecke. Neben der Abfallentsorgung kümmert man sich hier auch um Containerdienste, Abfallberatung, Aktenvernichtung, Entrümpelung, Reinigung und Winterdienst. Johannes Einig ist seit 2007 im Unternehmen tätig. Die AHE-Gruppe hat 390 Mitarbeiter.

IMAGE: Restmüll, gelbe Tonne, Biomüll, Papier... Warum ist es sinnvoll, Abfall zu trennen? Nicht selten hört man den Spruch „Kommt doch sowieso alles zusammen und wird verbrannt“.
EINIG: Ich kenne den Spruch. Wir sollten Abfall trennen, weil es kein Abfall ist, sondern eine wertvolle Ressource. Es ist ein Wertstoff und je schlechter wir trennen, desto mehr Ressourcen verschwenden wir. Und das können wir uns nicht leisten. Wenn der Inhalt der gelben Abfalltonne beziehungsweise vom gelben Sack immer richtig befüllt wäre, dann wäre sein Inhalt zu einhundert Prozent recyclebar. Besonders heterogen ist noch der Restabfall in der grauen Tonne. Hier sprechen wir von 50.000 Gewichtstonnen pro Jahr im Ennepe-Ruhr-Kreis. Das entspricht pro Einwohner einer Menge von 160 Kilogramm pro Jahr. Allerdings besteht dieser Restabfall zu rund 70 Prozent aus Wertstoff. Das sage nicht ich, sondern das Umweltbundesamt. Weil Restabfall aber ein Überraschungspaket ist, kann man ihn nicht so einfach nutzen. Er wird verbrannt und das bedeutet, wir vernichten Wertstoffe. Umso wichtiger ist es, möglichst wenig Restabfall zu erzeugen. Und weil das so ist, kommt es darauf an, Abfall bereits am Entstehungsort richtig zu trennen.

IMAGE: Wie bringt man Menschen dazu, sorgfältiger mit den Ressourcen, die uns der Abfall liefert, umzugehen und besser den Abfall zu trennen?
EINIG: Mit Wissen. Wenn ich weiß, dass es sich um Wertstoffe handelt, werde ich sorgsamer damit umgehen. Der Bioabfall wird bei uns seit 2012 in der Vergärungsanlage verarbeitet. Daraus wird Strom erzeugt. Wussten Sie, dass man mit einer Bananenschale bei 11 Watt 34 Minuten Licht erzeugen kann? Zweitens entsteht aus Bioabfall ein Düngemittel fast ohne Nitrate und ohne Schwermetalle - hervorragend für die Landwirtschaft und die Umwelt. Und drittens entsteht ein Kompost, der als Alternative für Stroh und Heu zur Auflockerung des Bodens beigemischt werden kann. Das ist Kreislaufwirtschaft pur. Übrigens: Wir haben pro Jahr etwa 100 Veranstaltungen, bei denen wir die Anlage zeigen. Auch Schulklassen kommen zu uns. Ich bin fest davon überzeugt, wenn wir Menschen zeigen, wie aus Abfall ein neues Produkt wird, dann werden sie es verstehen und mitmachen. Ich halte auch nichts von Strafen und Verboten. Aber ich denke, man kann positive Anreize setzen. Zum Beispiel ist in Witten die Buchung von Restabfall- und Biotonne günstiger als nur die Nutzung der Restabfalltonne. Und man kann auch Anreize setzen, die Restabfalltonne in der Größe zu reduzieren. Denn im Restabfall ist der größte Anteil der Bioabfall. Dazu gehören die Bananenschale oder Essensreste allgemein.

IMAGE: Geht die Tendenz in Richtung Abfallvermeidung oder Abfallverwertung?
EINIG: Gesetzlich vorgeschrieben geht die Abfallvermeidung immer vor der Abfallverwertung. Wir müssen weg von der Wegwerfgesellschaft. Wir müssen wieder verstärkt die Reparatur von Dingen in den Blick nehmen. Beispiel Mobiltelefon: zunächst kann und sollte ich präventiv arbeiten. Ich weiß, wenn das Gerät runterfällt, ist es kaputt. Also kann ich mit Schutzfolien und Hüllen arbeiten. Tu ich das nicht und das Gerät fällt runter und das Display ist kaputt, dann kann ich es zu einem Reparaturservice bringen. Funktioniert das auch nicht, dann muss ich mich mit dem Gedanken der Verwertung beschäftigen, denn in diesen Geräten stecken viele Wertstoffe. Ich muss es also richtig entsorgen.

IMAGE: Stichwort Plastik: Ist die Plastiksteuer der richtige Ansatz? Muss es um eine Reduzierung von Plastik gehen oder haben wir technische Möglichkeiten, bei richtiger Entsorgung Plastik zu 100 Prozent zu recyclen?
EINIG: Wir müssen Plastik reduzieren, keine Frage. Aber mehr noch müssen wir uns die Frage stellen, wie man ein Produkt herstellen kann, damit man es zu 100 Prozent erneut verwerten kann? Wie muss eine Verpackung aussehen, die ihren Sinn und Zweck erfüllt und gleichzeitig vollkommen recyclebar ist? Die Idee der Plastiksteuer ist nur vorhanden, weil der Markt nicht richtig funktioniert und die Politik über Sanktionen eingreifen möchte. Viel besser wäre es, wir würden die Verpackung oder was auch immer verändern. Diesen Prozess müssen wir mitgestalten.

IMAGE: Stichwort Digitalisierung: Bekommen wir in Zukunft eine füllstandabhängige Leerung? Oder kann eine Fehlbefüllung automatisch aussortiert werden? Wird der Abfall „smart“?
EINIG: Die Dienstleistung wird smart. Ein Beispiel ist das Chipsystem. Die Stadt Sprockhövel hat einen Chip an die Restmülltonne anbringen lassen. Es geht nicht darum, die Befüllung zu überwachen. Aber Chipsysteme können in Zukunft vielleicht eine intelligente Antwort darauf geben, ob der Abfallbehälter geleert werden muss. Die Entsorgungswagen sind in definierten Abständen in allen Straßen unterwegs. Aber vielleicht können sie mithilfe künstlicher Intelligenz bald Mängel wie Schlaglöcher oder verschmutzte Straßenschilder aufnehmen. Vielleicht werden die Fahrzeuge so zu einem Mängelmelder. Bisher müssen Menschen einen Mangel sehen und ihn den Städten melden. Vielleicht wird das in Zukunft einfacher werden, weil die Entsorgungsfahrzeuge sowieso durch alle Straßen fahren. Wichtig ist aber, das wir bei allen Neuerungen nicht vergessen, die Bürgerschaft mitzunehmen. Denn nur dann kann ein Projekt auch wirklich gelingen.

IMAGE: Zusammengefasst: Was ist für Sie in der Entsorgungswirtschaft die wichtigste Botschaft?
EINIG: Die Erkenntnis, dass wir es beim Abfall mit dem größten unerkannten Schatz zu tun haben. Das Wissen, dass wir diese Ressourcen immer noch zu einem großen Teil verschwenden, obwohl wir bereits auf einem richtigen Weg sind und auch schon vieles möglich geworden ist. Die Hoffnung, dass die Menschen mit dem Wissen bewusster mit den Ressourcen umgehen.
Schauen Sie, beim Restabfall haben wir es in der Substanz mit viel Feuchtigkeit zu tun, weil - wie ich ausgeführt habe - im Restabfall immer noch viel Bioabfall enthalten ist. Wenn Sie so wollen, verbrennen wir mit dem Restabfall Wasser. Nicht logisch, oder? anja