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Hattingen

46 Jahre lang auf dem Hattinger Weihnachtsmarkt vertreten

Franz-Josef Keuter verkauft Essensware und hat im Laufe der Jahre mehrere Buden mit vielfältigem Angebot. Es gab Höhen und Tiefen – und eine besonders lustige Anekdote.

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Franz-Josef Keuter mit seinen Töchtern Jennifer (l.) und Nicole (r.)

Vorsichtig lässt Franz-Josef Keuter ein paar Reibekuchen in die Fritteuse gleiten und wendet sie zwischendurch. Sie brutzeln und nachdem sie schön gebräunt sind, reicht er sie den Personen vor seiner Verkaufsbude auf der Heggerstraße und bedankt sich. Das macht er schon seit 46 Jahren im Zuge des Hattinger Weihnachtsmarktes. Er ist derjenige, der fast seit Beginn durchgängig mit dabei ist. Mit seinen mittlerweile 74 Jahren steht er in seinem weihnachtlich dekoriertem Büdchen – mit Unterstützung seiner Töchter und Aushilfen. 
Seit 1976 gib es den Weihnachtsmarkt in der Hattinger Innenstadt, damals organisiert durch Erich Brune von der gleichnamigen Fleischerei. 1979 erfuhr Franz-Josef Keuter vom Markt. Er fragte kurz vor dem Start an. „Als ich gefragt wurde, was ich anbieten kann, habe ich Reibekuchen genannt und mir wurde zugesagt“, erinnert er sich. Er fuhr nach Hause und erzählte seiner Frau, dass sie Reibekuchen verkaufen können. „Sie fragte mich dann: Womit denn?“ Keuter war nämlich noch nicht vorbereitet und musste binnen weniger Tage alles besorgen.

Mit Improvisation begann alles
Er fuhr zu einem Sägewerk, um sich eine große Palette Schwartenbretter zu besorgen. Daraus baute er eine kleine Hütte, drei mal drei Meter. „Im Großhandel bekam ich eine sogenannte Kippbratpfanne und konnte loslegen“, erzählt Keuter. Er kommt aus Düren und reiste bis vor drei Jahren immer mit einem Wohnwagen an, der an verschiedenen Stellen über die Wochen in Hattingen abgestellt werden konnte. Mittlerweile lebt er vier Wochen lang in einer Ferienwohnung. Sein erstes Büdchen konnte er nach drei Jahren nicht mehr nutzen und baute eine größere Hütte. Die stand auf der Höhe des Modegeschäfts Lesmeister, zuvor an der weiter oberhalb gelegenen Spielhalle.

Erweiterung des Angebots
Neben den Reibekuchen gab es nach sechs Jahren in einer zweiten Hütte auch Poffertjes, die Keuters Mutter Helene verkaufte. „Die erste Hütte wurde zu klein, weil die Nachfrage nach Reibekuchen so groß war. Wir waren die einzigen, die sie verkauft haben“, erklärt der Schausteller. Die Verkaufsfläche der Hütte wuchs auf fünf mal zwei Meter. Mit der Zeit übernahm die Hattinger Werbegemeinschaft die Organisation, Keuter blieb dabei und war später Mitglied. Der Weihnachtsmarkt weitete sich aus. Keuter wurde angesprochen, was er am Krämersdorf anbieten könne. Er bot eine Kindereisenbahn an und verkaufte in einer Hütte daneben Glühwein und Kakao.
Die Kindereisenbahn mietete er an und kaufte sie nach vier Jahren komplett. Den Stand daneben betreuten seine Schwester und sein Schwager – die Familie war mit mehreren Hütten auf dem Weihnachtsmarkt vertreten – an denen auch immer etwas zu reparieren war. Der Reibekuchenstand bekam erst vor wenigen Wochen einen neuen Anstrich. Die Kindereisenbahn wurde später in die Oststraße versetzt. Schräg gegenüber bot eine seiner drei Töchter, Jennifer, Crêpes und Churros an. Tochter Nicole verkaufte in einer anderen Blumenkohl und Champignons. Zwei Jahre lang in den 1990er-Jahren verkaufte Tochter Jessica belgische Pralinen – bis durch das Geschäft Hussel zu große Konkurrenz angesiedelt war.

Rückschlag durch Vandalismus
Als die Kinder klein waren, besuchten sie in der Zeit des Weihnachtsmarktes übergangsweise in Hattingen die Schulen. Mit der Zeit erlebten sie mitunter auch Jahre mit Schnee. Zudem Höhen und Tiefen. Zu den Tiefen gehörte, dass einmal eine der Buden nachts angezündet wurde und abbrannte. „Ich hatte Weihnachtsgeschenke gekauft und vergessen, sie mitzunehmen. Auch ein neues Waffeleisen, es war noch gar nicht bezahlt. Aber alle Geräte waren kaputt“, erinnert sich Tochter Nicole. Geräte für Crêpes, Dampfnudeln, Waffeln, Apfelringe, Mutzen und Krapfen. Die Werbegemeinschaft gestattete Keuter, seinen Schaustellerwagen zu holen, den er im Sommer während der Kirmes-Saison nutzt. „Wir haben uns von Kollegen Geräte geliehen, damit wir wenigstens noch weiter Geld verdienen konnten“, so Keuter.
Doch dieses Erlebnis schreckte die Familie nicht ab, immer wieder nach Hattingen zu kommen. Auch weil der Weihnachtsmarkt einen großen Anteil am Jahresgeschäft ausmacht. „Wir haben nur ein paar Monate im Jahr, in denen wir unser Geld verdienen können“, macht Keuter deutlich. Es gibt viele Stammkunden, sogar aus Wuppertal.

Mit Liebe hergestellt
Ihre Verkaufsware stellt die Familie selbst her. Tochter Nicole fährt jeden zweiten Tag zum Frischmarkt, um die Champignons und den Blumenkohl zu kaufen. Der Blumenkohl muss gerupft werden, was mehrere Stunden in Anspruch nimmt. Die Kunden sehen die Arbeit oftmals nicht, sondern sprechen die Familie auf die Preise an, die innerhalb der Jahre immer mal angehoben werden mussten – weil alles teurer wird. Standgeld und Strom müssen einkalkuliert werden. „Das liegt noch im grünen Bereich, auch wenn die Gewinne weniger werden“, sagt Keuter, der seit drei Jahren seine Preise gehalten hat. Wenn er aufhören sollte, würde ihm etwas fehlen. Doch solange es geht, bleibt er dabei – auch aus finanziellen Gründen.
Schade sei es jedoch, dass der nostalgische Weihnachtsmarkt auf dem Kirchplatz am meisten beworben werde. Auf der oberen Heggerstraße sei die Zahl der Stände gesunken. Die Keuters blieben. „Ich kenne nur Hattingen. In große Städte haben wir uns nicht getraut, waren aber bis jetzt immer zufrieden“, sagt Tochter Nicole, die mit ihrem Mann seit 24 Jahren dabei ist. Was Schwester Jennifer schätzt und früher selbst erlebte: „Der Zug von Frau Holle zum alten Rathaus war immer schön.“ Als sie klein war, lief sie vor Freude mal mit und ihre Eltern suchten sie. Sie riefen sogar die Polizei – die sie schließlich fand. Heute steht sie für ihre Familie in der Hütte und wendet neben Vater die Reibekuchen.
Von Hendrik Steimann