Case Manager Frank Hübner schafft im Netzwerk Geriatrie am EvK Witten Sicherheit in der Versorgung.
Case Manager und Pflegeberater Frank Hübner kümmert sich seit 2015 um die Versorgung der Patienten im Netzwerk Geriatrie.
Das Durchschnittsalter von Patienten in Krankenhäusern steigt stetig an. Viele ältere Patienten leiden an mehreren Erkrankungen gleichzeitig. Das erfordert spezielle Behandlungskonzepte.
Viele traditionelle Familienstrukturen, beispielsweise das Wohnen mehrerer Generationen unter einem Dach, lösen sich zunehmend auf, sodass viele ältere Menschen niemanden mehr haben, der sich um ihre Versorgung kümmert. Deshalb ist die Versorgung der älteren Patienten schon heute eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.
Vor diesem Hintergrund wurde Netzwerk Geriatrie im EVA Ruhr (Ev. Verbund Augusta Ruhr) geschaffen.
IMAGE: Sie sind ein Netzwerker für ältere Patienten und zuständig für den Liaisondienst. Was genau bedeutet das?
HÜBNER: Die Einrichtung des Liaisondienstes beinhaltet eine qualifizierte Mitbetreuung des Patienten während seines Aufenthaltes bei uns im Krankenhaus und stellt bei der Identifizierung notwendiger Versorgungsbedarfe nach dem stationären Aufenthalt ein sehr wichtiges Bindeglied zwischen Patient, Arzt und Pflege dar.
Mit der Klinik für Geriatrie mit Tagesklinik und dem Schwerpunkt der Altersmedizin in allen Bereichen bietet das Evangelische Krankenhaus eine ganzheitliche Therapie von der Akutbehandlung über die Frühmobilisation bis hin zur ambulanten Weiterbehandlung. Wir haben zunächst den Liaisondienst eingerichtet und danach in einer zweiten Phase Kooperationsverträge mit den Wittener Altenheimen und mit den ambulanten Pflegediensten geschlossen. Diese Kooperationen werden bis heute laufend erweitert.
IMAGE: Welche Qualifikation braucht man für diese Aufgabe?
HÜBNER: Ich bin seit Februar 2015 im Ev. Krankenhaus Witten für den Liaisondienst zuständig. Im Krankenhaus selbst arbeite ich seit 25 Jahren. Ich habe eine Ausbildung zum Altenpfleger gemacht und fast zehn Jahre in der Geriatrie gearbeitet, danach in der Notfallambulanz. Berufsbegleitend habe ich Weiterbildungen zum zertifizierten Case Manager nach DGCC und zum zertifizierten Pflegeberater absolviert.
IMAGE: Was ist das Ziel dieses Netzwerkes?
HÜBNER: Das Ziel ist, die Betreuung der älteren Menschen durch intensive Vernetzung und Bündelung von Kompetenzen zu verbessern. Zu einem Netz gehören verschiedene Knotenpunkte, die alle zusammen die Stabilität garantieren. So ist das mit dem Netzwerk Geriatrie auch. Ärzte, Pfleger, Physio, Ergo, Reha, Angehörige, Freunde – die Liste all derer, die sich zum Wohle eines Menschen einbringen, ist lang. Als Case Manager koordiniere ich diese Hilfsmöglichkeiten. Von der Einrichtung der Liaisondienste 2015 versprach sich das Gesundheitsministerium NRW vor allem eine Verbesserung der Versorgung älterer Patienten. Das EVR Netzwerk Geriatrie hat diese Dienste in seinen vier Häusern in Herne, Castrop-Rauxel und Witten realisiert. Seit dem 1. Januar 2024 existiert es unter dem Dach des EVA Ruhr (Ev. Verband Augusta Ruhr).
Im Rahmen dieses Netzwerkes nehmen wir an den verschiedenen Arbeitskreisen „ Netzwerk Demenz Witten Wetter Herdecke,” „ Alter” von der Stadt Witten und „Heimversorgung” teil. Außerdem haben wir innerhalb der neun Jahre 17 Qualitätszirkel hier bei uns im Haus abgehalten, um immer zu schauen, wo man noch etwas optimieren kann. Für uns steht fest: Wir möchten erreichen, dass die älteren Patienten auch nach dem Aufenthalt im Krankenhaus optimal versorgt werden.
IMAGE: Wie lässt sich das Ziel umsetzen?
HÜBNER: Zu meinem alltäglichen Aufgaben gehört es, sich als erstes aus dem Krankenhausinformationssystem die Listen mit den frisch aufgenommenen Patienten zu lesen.
Bei den über 75-Jährigen Patienten wurde bei der Aufnahme ein sogenanntes ISAR-Screening (Identification of seniors at risk) durchgeführt, dessen Ergebnis im System hinterlegt ist. Fragen zum Hilfebedarf und akuten Veränderungen, Krankenhausaufenthalten der letzten sechs Monate, sensorische und kognitive Einschränkungen und zur Multimorbidität sollen helfen, einen möglichen geriatrischen Versorgungsbedarf zu ermitteln.
Das sind Fragen, ob man beispielsweise Probleme mit dem Gedächtnis hat oder ob man pro Tag mehr als sechs Medikamente einnimmt.
Oder einfach auch, ob man in der letzten Zeit grundsätzlich mehr Hilfe benötigt hat.
Wer bei dem Screening drei oder mehr Punkte erreicht oder mehr als zwei Fragen auffällig beantwortet, erhält von mir Besuch. Dies geschieht in der Regel binnen 24 Stunden. Ich unterhalte mich mit dem Patienten und/oder seinen Angehörigen. Diese Gespräche helfen mir, die häusliche Situation und den notwendigen Hilfebedarf einzuschätzen. Ich versuche, die Alltagssituation des Patienten genau einzuschätzen. Abhängig vom Ergebnis leite ich dann die nächsten Schritte ein, die ich mit dem Sozialdienst und dem Ärztlichen Dienst abstimme. So kann ich beispielsweise die Verordnung von Hilfsmitteln wie Rollator, Rollstuhl oder Toilettenstuhl empfehlen, die Beantragung eines Pflegegrades einleiten, eine sozialrechtliche Beratung oder die Weiterbehandlung in die Klinik für Geriatrie befürworten. In dem Fall wird ein geriatrisches Konsil unter Einbeziehung des behandelnden Arztes durchgeführt.
IMAGE: Der Patient wird also nicht unterversorgt entlassen?
HÜBNER: Kein Patient über 75 Jahre sollte unterversorgt nach Haus entlassen werden. Die Angehörigen sind oft überfordert oder wissen nicht, welche Hilfsmittel zur Verfügung stehen und was sie überhaupt bei wem beantragen müssen. Unser Netzwerk sorgt dafür, dass ein Patient, der einen hohen Hilfebedarf hat, der noch nicht abgedeckt ist, schon 24 Stunden nach der Aufnahme sicher sein kann, dass bei einer bevorstehenden Entlassung eine bestmögliche, dem Alter und dem Krankheitsbild angepasste Versorgung und Unterstützung eingeleitet wurde. Das gibt Sicherheit und fördert auch den Heilungsprozess und das Vertrauen.
IMAGE: Was bewegt Sie in Ihrem Beruf besonders?
HÜBNER: Mein Eindruck ist, dass sehr viele ältere Menschen immer stärker unter Einsamkeit leiden. Die Kontakte werden im Alter in der Regel weniger. Kommen Krankheiten hinzu, die die körperliche und geistige Mobilität einschränken, verschlimmert sich diese Situation. Vor allem vor einem finanziellen Hintergrund bei geringer Rente oder bei schwierigen familiären Strukturen, ist das besonders schlimm. Wenn ich erlebe, dass es zwar Kinder gibt, die sich aber nicht um ihre Eltern kümmern, dann wird man schon sehr nachdenklich. Es gibt auch viele Fälle, bei denen sich die Kinder durchaus im Rahmen der Möglichkeiten einbringen – das ist aber immer dann schwierig, wenn die Kinder aus beruflichen oder eigenen familiären Gründen nicht in der Nähe der Eltern leben. Wenn man sich seiner Verantwortung für die Menschen bewusst ist, dann lässt einen deren Schicksal auch nicht einfach los. anja