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„Einfach selbstbewusst den Finger heben“

Andrea Psarski, Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Witten.

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Obwohl Frauen in Bildungsabschlüssen mindestens gleichauf und im Führungsbereich nicht weniger erfolgreich als Männer sind, ist ihr Anteil in Führungspositionen in Deutschland immer noch deutlich unterrepräsentiert. Das Statistische Bundesamt gibt an, in der Wirtschaft sei nur jede dritte Frau in der EU und in noch geringerer Zahl in Deutschland in einer Führungsposition beschäftigt. Viele Experten sehen in einer Zunahme der weiblichen Vollzeitbeschäftigung grundsätzlich eine Lösung für die gegenwärtige Personalknappheit.
Andrea Psarski (47) ist seit 2024 Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Witten und damit steht zum ersten Mal in der 170-jährigen Geschichte des Instituts eine Frau an der Spitze. Seit 2018 gehört sie bereits zum Vorstand. Die Sparkasse Witten hat neun Geschäftstellen, rund 320 Mitarbeiter und Mitarbeitende und eine Bilanzsumme von 2,6 Milliarden Euro.

IMAGE: Sie sind in Witten geboren. Ihre Kindheit lag in den achtziger Jahren. Wenn Sie sich an diese Zeit erinnern - waren Sie ein typisches Mädchen oder wurden Sie so erzogen?
PSARSKI: Nein. Wenn man die Frage an Spielzeug oder persönlichen Interessen festmacht, dann haben Puppen bei mir keine dominierende Rolle gespielt. Ich kann mich daran erinnern, dass ich Matchboxautos geliebt habe und mit Hilfe von Kissen Straßen baute. Ich mochte Ballett, aber auch Tennis und Badminton. Ich habe im Urlaub auch gerne mal Fußball gespielt. Als ich meinen Führerschein machte, gehörte es für meine Eltern dazu, dass ich lernte, einen Reifen zu wechseln oder Schneeketten aufzuziehen. Ich bin bis heute gerne draußen und gerne sportlich unterwegs - in meiner Kindheit oft in Cuxhaven-Duhnen, heute gerne auf Juist oder ich fahre zum Wintersport.

IMAGE: Blicken wir in Ihre Schulzeit. Mathe und Wirtschaft sind oft nicht unbedingt Lieblingsfächer von Mädchen. Die MINT-Förderung will das heute ändern – ein richtiger Weg?
PSARSKI: Ich hatte immer eine Affinität zu Mathe, Rationalität und Logik. Vielleicht lag das auch teilweise an der Familie. Mein Vater ist CNC-Programmierer, ein Onkel von mir Gymnasialdirektor. Ich glaube, ich hatte die kürzesten Aufsätze in Deutsch - in der Kürze liegt aber manchmal ja auch die Würze. Mathe, Informatik, Naturwissenschaften, Technik - ich mochte die heute als MINT bezeichneten Fächer gerne. Mathematik war mein Leistungskurs, Biologie ein Grundkurs. Aber ich habe auch Sprachen nicht vernachlässigt - Französisch war mein zweiter Leistungskurs.
Eine Förderung von Mädchen in MINT-Fächern eignet sich insbesondere dann, wenn die Mädchen nicht genau wissen, ob sie sich für diese Themen interessieren. Dann kann eine Förderung zum Ausprobieren einladen und in der Wahl bestätigen. Für mich war immer klar, dass hier meine Stärken liegen.
Nach dem Abitur habe ich ein berufsbegleitendes betriebs- und volkswirtschaftliches Studium an der Fernuniversität Hagen absolviert. Danach habe ich noch Wirtschafts- und Steuerrecht an der Ruhr-Universität Bochum studiert. Ich habe immer mit Zahlen gearbeitet - als Betreuerin von Firmenkunden, als Abteilungsdirektorin Marktfolge aktiv und natürlich auch jetzt im Vorstand. Vielleicht kurz zum Verständnis: der Vorstand einer Sparkasse besteht immer aus mindestens zwei Personen, einem Markt- und einem Risikovorstand. Ich habe die Aufgaben des Marktvorstands, bin Sprecherin und Vorsitzende - aber nicht die Chefin des zweiten Vorstandes.

IMAGE: Oft heißt es: Frauen müssen härter arbeiten und verdienen weniger als Männer. Teilen Sie diese These?
PSARSKI: Für meinen beruflichen Werdegang kann ich das nicht sagen. Ich habe mir über Leistung immer eine Wertschätzung erarbeitet und das in relativ kurzer Zeit. Es war weniger die Frage nach dem Geschlecht, sondern eher die Frage nach dem Alter. In vielen Situationen war ich die jüngste Teilnehmerin in der Runde. Aber auch hier war es immer die Leistung, die andere Menschen von mir überzeugt hat.

IMAGE: Wie beurteilen Sie das Verhältnis von Familie und Berufstätigkeit? Gehen Kinder und (Vollzeit)Beruf/Karriere zusammen?
PSARSKI: In der Sparkasse trage ich die Verantwortung für die ganze Belegschaft in Teilzeit- und Vollzeitstellen. Ich muss natürlich darauf schauen, ob es den Menschen mit ihrer Arbeit gut geht. Wir haben Regeln erarbeitet, die in eingeschränktem Maß mobiles Arbeiten möglich machen. Auf der anderen Seite finde ich eine Unternehmenskultur mit Präsenz wichtig und möchte darauf auch nicht verzichten. Wir haben sogar ein weibliches Führungsduo, welches die Aufgaben in Teilzeit umsetzt. Ich glaube, man kann heute selbst auf sich verändernde Herausforderungen im biographischen Lebensalltag flexibel reagieren.
Manche Frauen entscheiden sich bewusst für eine Teilzeitstelle, weil sie diese mit der Familienplanung besser vereinbaren können. Andere möchten Vollzeit arbeiten. Wenn Experten heute davon ausgehen, mehr weibliche Vollzeitkräfte würden das Personalproblem lösen, so ist das mathematisch sicherlich richtig. Aber man muss auch sehen, ob sich Frauen für einen Vollzeitjob entscheiden wollen. Manche treffen bewusst eine andere Entscheidung und das ist auch in Ordnung so.

IMAGE: Führen Frauen anders als Männer?
PSARSKI: Ich wurde in meinem beruflichen Werdegang nur von Männern geführt. Frauen in Führungspositionen sind immer noch selten. Ich denke schon, sie führen anders, weil sie einen anderen Blickwinkel auf viele Dinge haben. Auf der anderen Seite gibt es sehr unterschiedliche Frauen und Männer mit völlig verschiedenen Arbeits- und Führungsstilen. Daher ist für mich diese Frage auch abhängig von der jeweiligen Person und nicht nur vom Geschlecht.

IMAGE: Was raten Sie jungen Frauen heute in Sachen Berufsfindung und Berufstätigkeit?
PSARSKI: Seien Sie selbstbewusst! Wenn man sich heute Anforderungsprofile bei einer Stellenausschreibung ansieht, dann fehlen dem Mann beispielsweise vier von zehn Punkten und er bewirbt sich trotzdem. Einer Frau fehlt nur ein einziger Punkt, aber sie bewirbt sich nicht und begründet dies damit, sie habe in dem einen Punkt ja keine Kenntnisse. Man muss aber mit dem Finger aufzeigen und sagen: Ich möchte das und ich kann das auch! Wenn dann Leistung und Engagement stimmen, passt das auch. anja